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Panorama: Doktor Rath ist nicht zu sprechen

Nachdem ein Gutachten über den toten Dominik den selbsternannten Krebsarzt widerlegt hat, stehen er und die Eltern unter Druck

Von Oliver Bilger

Auch nachdem ein Gutachten Mainzer Rechtsmediziner Krebs als Todesursache des neunjährigen Dominik aus Rheinland-Pfalz eindeutig erwiesen hat, geht der Streit um seinen Arzt Matthias Rath weiter. Entgegen dessen Behauptungen, es gebe keine Metastasen in der Lunge, sondern einen Bluterguss nach einem chirurgischen Eingriff, sei der Krebs „ohne vernünftigen Zweifel“ erklärt, so der Leitende Oberstaatsanwalt in Koblenz, Erich Jung. Der umstrittene selbsternannte Krebsmediziner Rath ist damit widerlegt – jetzt geraten er und Dominiks Eltern zunehmend unter Druck. Auf die jüngsten Ergebnisse der Pathologen geben die Eltern jedoch nicht viel: Auf ihrer Internetseite „Verein Dominik“ schreiben sie: „Da Mainz bei der Obduktion keine unabhängigen Ärzte und Rechtsanwälte zuließ, gab es für uns nur die Möglichkeit, eine zweite Obduktion durchführen zu lassen. Diese besagt ohne Zweifel – unabhängige Ärzte und Juristen waren zugegen – das Dominik nicht an Krebs gestorben ist.“ Die „Lüge, Dominik sei an Krebs gestorben“ wollen sie nicht bestehen lassen und stattdessen „alles daran setzen, um Wahrheit ans Licht zu bringen“, heißt es weiter. „Hier steht also Tatsache gegen Täuschung. Und die Täuschung findet noch kein Ende.“ Sie verlangen nun Gewebe von der Mainzer Obduktion, „um es von einem unabhängigen Institut untersuchen zu lassen.“

Und auch in ihrem Glauben an Rath lassen sich die Eltern nicht beirren. „Dr. Rath“, erklärt Mutter Anke Feld am Telefon, „ist unser Freund und ein Freund Dominiks.“ „Er hat nichts Verkehrtes getan.“ Mehr will sie am Telefon nicht sagen. Die Eltern wollen sich nur noch im Internet äußern. Feld: „Dort kommt es so an, wie ich es haben möchte und es der Wahrheit entspricht.“ Von Rath gibt zu alldem keine Stellungnahme. Auf Nachfrage des Tagesspiegels ließ er letzte Woche über eine Mitarbeiterin ausrichten, dass er sich am Montag zu den jüngsten Erkenntnissen äußern werde. Wo er sich momentan aufhält, ob er überhaupt in Deutschland ist, wisse die Mitarbeiterin nicht. Am angekündigten gestrigen Montag nimmt bei der „Dr. Rath Health Foundation“ in Berlin niemand mehr das Telefon ab. Stattdessen gibt es eine Mitteilung im Internet: Darin heißt es, die Mainzer Untersuchung „ist eine Provokation von Millionen Menschen, die ein Recht auf die Wahrheit haben“. Es wird versucht, die Ergebnisse zu entkräften: Die Untersuchung wird als „fragwürdiges Machwerk“ abgetan, der Gutachter als „Pharma-Handlanger“ diffamiert. Welche juristischen Konsequenzen die Ergebnisse für Rath haben werden, ist noch unklar. Wird er angeklagt werden? Derzeit richte sich das „Todesermittlungsverfahren nicht gegen bestimmte Personen“, erklärt Staatsanwalt Jung. In einem weiteren Gutachten müsse geprüft werden, ob Dritte für den Tod des Jungen mitverantwortlich sind. „Insbesondere soll geklärt werden, ob die ärztliche Behandlung sachgerecht war und ob der Tod mit einer anderen medizinischen Behandlung hätte verhindert werden können“, sagt Jung, Ein Ergebnis erwartet er in drei Monaten. Wenn überhaupt, könne erst dann ein Verfahren eingeleitet werden. Eine erste Anzeige gegen Rath hat es aber gegeben: Der Arzt Burkhard Aschhoff, der Dominik im August und September in seiner Klinik in der Pfalz behandelte, hat sich an die Mainzer Staatsanwaltschaft gewandt. Rath hatte Aschhoff und anderen Ärzten Fehldiagnosen, Fehlverhalten und indirekte Mitschuld an Dominiks Tod vorgeworfen. Aschhoff hat Anzeige wegen Verleumdung erstattet.

Dominiks Leidensgeschichte beginnt im Herbst 2002. Ärzte diagnostizieren einen bösartigen Knochentumor oberhalb des rechten Knies und finden Metastasen in seiner Lunge. Dominik wird im Universitätsklinikum Münster behandelt. Die Eltern lassen auf den Rat der Mediziner den Haupttumor entfernen, Dominik wird mit Chemotherapien behandelt. Die Ärzte geben dem Kind eine Überlebenschance von fast 50 Prozent, sofern die Behandlung fortgeführt wird. Doch Dominiks Erzieher stoppen die Schulmediziner. Im April gibt das Koblenzer Oberlandesgericht den Eltern das zuvor entzogene Sorgerecht zurück, da kein Heilungserfolg mehr gesehen wird.

Der Junge soll seine letzten Monate bei der Familie verbringen. Seine Eltern aber haben sich längst an Rath und seine „Vitalstoff“-Präparate gewandt: Der umstrittene Mediziner behauptet, mit Vitaminen und Mineralstoffen Krebs heilen zu können. Wissenschaftliche Untersuchungen konnten seine Behauptungen bislang nicht bestätigen. Im Gegenteil, sie stehen im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen. Rath spannt Dominik für seine Zwecke ein: Auf Plakaten mit einem Foto des Jungen behauptet er „Krebs ist heilbar. Natürlich“. „Sein Leben ist bereits jetzt zu einem Symbol für eine neue Ära der Medizin geworden“, heißt es weiter. Im April „konnte Dominik als von seinem Krebsleiden geheilt bezeichnet werden“, schreibt Rath auf seiner Internetseite. Als das Kind später wegen Hirnmetastasen des Tumors behandelt werden muss, spricht Rath von einem Bluterguss. Am 1. November stirbt Dominik in einer Klinik in Mexiko, wohin er mit Raths Hilfe gebracht worden war.

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