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© imago stock&people

Dokumentarfilm: Die Erfolgsmaschine des Justin Bieber

Justin Bieber, Wunderkind oder Kunstprodukt? In den USA nimmt der Wirbel um den Jungstar bedrohliche Züge an. Ein Film erzählt die Geschichte des 17-Jährigen.

Neulich saß er bei David Letterman in der Talkshow. Draußen auf der Straße kreischten Mädchenhorden, die Stimmen drangen bis ins Studio. Letterman war beeindruckt, vom Geschrei, aber noch mehr von den ernsten Worten, die sein Gast Justin Bieber da sagte: „Die meisten Leute glauben doch, dass ich gemacht wurde. Wie eine Maschine aus der Fabrik.“ Recht reflektiert für einen, der gerade erst 17 geworden ist.

Vor drei Jahren kannte ihn noch keiner. Heute hat Justin Bieber mehr als zehn Millionen Alben verkauft, geschätzte 120 Millionen Dollar verdient, eine Welttournee durch ausverkaufte Konzertarenen absolviert, zwei Grammys gewonnen. Da liegt der Verdacht nahe, dass an diesem Erfolg etwas faul sein muss. Der junge Kanadier mit der merkwürdigen Frisur kann nur Produkt einer von langer Hand geplanten Marketingstrategie sein. Oder?

Ein Dokumentarfilm soll nun Biebers wahre Geschichte erzählen. Diesen Donnerstag startet „Never say never“ in den deutschen Kinos, in den USA spielte er am Startwochenende das Dreifache der Produktionskosten ein. Eigentlich ist es ein 3-D-Film, die gezeigten Konzertmitschnitte aus dem Madison Square Garden wurden aufwendig mit Spezialkameras aufgenommen. Für die wichtigsten Szenen des Films braucht man die 3-D-Brille aber gar nicht: Biebers Mutter stellte alte Heimvideos zur Verfügung, die meisten von mieser Qualität. Doch sie zeigen, was Justin Bieber tatsächlich ausmacht: ein überbordendes musikalisches Talent. Schon als kleiner Junge trommelte er wie ein Irrer auf Möbel und Küchengeräte, mit einem Rhythmusgefühl, das selbst Profi-Schlagzeuger erschrecken lässt. Das Gitarren-, Klavier- und Trompetenspiel brachte er sich selbst bei, das Singen sowieso. Mit zehn musizierte er vor Läden in der heimischen Kleinstadt Stratford, mit zwölf begeisterte er beim lokalen Talentwettbewerb. Bis dahin hatte er keine einzige Stunde Musikunterricht genommen.

Entdeckt wurde Bieber durch kurze Videos, die seine alleinerziehende Mutter auf Youtube hochlud. Angeblich nur zum Spaß, so wie manche Filme ihrer torkelnden Katzen ins Internet stellen. Das beweist nicht etwa, dass es sich bei Bieber um ein albernes Web-Phänomen handelt. Eher zeigt es, dass soziale Netzwerke Substanzielles hervorbringen können. „Er hat die Haare der Beatles und Elvis’ Talent“, sagt Antonio Reid, einer der erfolgreichsten Produzenten der letzten 20 Jahre. Dabei drängt sich ein anderer Vergleich viel stärker auf: Wer Bieber singen und tanzen sieht, ob als Kind im Wohnzimmer oder jetzt auf Bühnen vor zehntausenden Fans, muss unweigerlich an den jungen Michael Jackson denken. Bloß der militärische Drill, den Jackson erlitt, blieb Bieber offenbar erspart.

In den USA nimmt der Wirbel um den Jungstar bedrohliche Züge an. Seine Mutter wurde von Fans umgerannt, bei Autogrammstunden müssen die Veranstalter mit Abbruch drohen, um die hysterischen, fast ausschließlich weiblichen Anhänger zu disziplinieren. Im Bundesstaat New York wurde Biebers Manager vorübergehend festgenommen. Angeblich hatte er nicht schnell genug eingewilligt, eine Veranstaltung in einer hoffnungslos überfüllten Mall abzubrechen.

Auch hier hat sich das Bieber-Fieber ausgebreitet. Bloß haben das viele Erwachsene noch nicht bemerkt. Anfang April wird der Sänger in der Berliner O2-World auftreten, das Konzert ist ausverkauft. In der aktuellen Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ werden einem Kandidaten Siegchancen eingeräumt, weil er aussieht wie der junge Kanadier. Das Original fliegt nächste Woche für einen Auftritt bei „Wetten dass...?“ ein. Ursprünglich war der für Dezember geplant, platzte aber nach dem Unfall von Samuel Koch. Über Twitter rief Bieber auf, für den verletzten Wettkandidaten zu beten. Acht Millionen Fans lesen dort täglich seine Nachrichten.

Er hat auch viele Feinde. Sie organisieren sich auf Hass-Seiten im Internet, verbreiten Gerüchte, der Sänger sei gestorben oder zumindest an Syphilis erkrankt. Hunderttausende forderten, Bieber auf Konzertreise nach Nordkorea zu schicken. Vor allem aber tauschen die Anti- Fans Gewaltfantasien aus, beschreiben genüsslich, wie sie Bieber die Knochen brechen möchten. Weil er zu weich sei! Weil er eine hohe Stimme habe! Weil er doch sicher schwul sei! Niemand schreibt, der Junge könne nicht singen.

Manche sorgen sich um Biebers Seelenheil. Kann so einer – selbst wenn er keine Marionette der Castingindustrie ist – ein halbwegs normales Leben führen? Wird Bieber gefragt, ob seine Jugend leide, versucht er zu beschwichtigen. Pro Woche habe er einen freien Tag, an dem könne er tun, was er wolle. Basketball spielen zum Beispiel. Er sagt allerdings auch, dass er diesen Tag manchmal komplett verschlafe. Weil die sechs davor so anstrengend waren. Dabei könnte er sich Zeit lassen mit seiner Karriere. Als Michael Jackson „Thriller“ aufnahm, war er 23.

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