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Panorama: Doppelte Hexenjagd

Thomas Wüppesahl, Polizist und Politiker, bereitete einen Mord vor – wollte er auch morden?

Über Thomas Wüppesahl erfährt viel, wer seine Freunde auf der Zuschauerbank im Gericht erlebt. Die werten es schon als Affront, wenn hinter der Trennscheibe einmal ein Satz des Richters schwer zu verstehen ist. Man kennt sich über den Hamburger Verein „Klima e.V.“, eine Vereinigung für Mobbing-Opfer. Und dass man einmal Unrecht erlebt hat, macht jetzt die Gemeinschaft aus. Andere Zuschauer werden der Frage ausgesetzt, ob sie „für Wüppesahl sind oder gegen ihn?“ Auch neutrale Beobachter beschleicht so schnell das beklemmende Gefühl, Teil einer Verschwörung zu sein.

Thomas Wüppesahl, Kriminalbeamter, Ex-Grüner, Ex-Bundestagsabgeordneter und Frontmann der „Arbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten“ ist vor demHamburger Schwurgericht angeklagt, einen brutalen Raubmord vorbereitet zu haben. Seit März steht er vor Gericht. Die Anklage sagt, er habe vorigen Herbst zusammen mit einem Freund in Berlin-Friedrichshain einen Geldtransporter überfallen, den Boten erschießen und ihm mit einem Fleischerbeil den Arm abhacken wollen, um an die Beute zu kommen.

Aber jetzt redet Thomas Wüppesahl. In seiner ersten Aussage in diesem Prozess behauptet er am Donnerstag, er wollte der Polizei „einen Köder hinwerfen“, um zu enttarnen, dass diese mittels V-Mann und „widerwärtigem Mobbing“ versuche, ihn endgültig aus dem Polizeidienst zu entfernen. Wüppesahl: „Ich bin Opfer einer modernen Hexenjagd“.

Der vermeintliche Komplize des Raubüberfalles, Andreas Sch., ist in der Tat im Auftrag von Polizei und Staatsanwaltschaft auf Wüppesahls Plan eingestiegen.

Nachdem der ihn vorigen Oktober in seine Idee eingeweiht hatte, hat Andreas Sch. Pistole und Fleischerbeil besorgt – und hätte er nicht den Lockspitzel gespielt, säße Wüppesahl jetzt nicht auf der Anklagebank. Denn sich eine Straftat auszudenken, das stellt selbst noch keine dar.

Doch dass Ermittler die Finger im Spiel hatten, nimmt nicht die Schuld von einem Angeklagten. Es mindert sie nur: Der Bundesgerichtshof hat in anderen Fällen entschieden, dass die Strafe bei einer Verführung durch Lockspitzel drastisch gesenkt wird. Ansonsten drohen dem 49-jährigen Wüppesahl bis zu 15 Jahre Haft.

Er hat sich immer wieder als Opfer von Intrigen inszeniert: Mitte der neunziger Jahre fühlte er sich gemobbt, weil er nicht zum Kommissar befördert wurde. 1988, als die grüne Bundestagsfraktion ihn ausschloß. Er sprach von Mobbing, als er vom Dezernat für Wirtschaftskriminalität zur Bearbeitung von Autodiebstählen versetzt wurde. Und zuletzt, als er im vergangenen Jahr wegen eines Verkehrsdeliktes vor Gericht stand.

Nun wittert er „einen weiteren Versuch der Staatsanwaltschaft, mich als politische Person aus- und abzuschalten.“

Der Prozess bietet Wüppesahl eine Bühne – und scheint ein großer Spaß für ihn zu sein. Wie eingraviert liegt an allen Verhandlungstagen ein höhnisches Grinsen auf seinem Gesicht, er winkt in den Zuschauerraum und bestellt beim Wachtmeister einen Tee, wenn er husten muss. „Herr Wüppesahl, Sie sind hier der Angeklagte“, wies der Vorsitzende Richter Gerhard Schaberg ihn zurecht – „ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen das klar ist?“

Der Kronzeuge Andreas Sch. ist ein langjähriger Freund. Aber in ihrer Beziehung gab es ein Machtgefälle. Stets war es Wüppesahl, der den Ton angab. Er gründete die „Kritischen Polizisten“ mit, zu denen Sch. hinzustieß. Er gewann das Bundestagsmandat, für das auch Sch. Wahlkampf machte. Sch. habe ihm „zugearbeitet“, wenn sie zusammen im Casino waren – so formuliert es Wüppesahl.

Der Zeuge beteuert, er habe die Freundschaft geopfert, weil er „ein schlimmes Verbrechen verhindern wollte“. Das aber hätte er einfacher haben können: Er hätte dem Freund gehörig den Kopf waschen können, als der ihm von seinem brutalen Plan erzählte. Er hätte auf Wüppesahl einreden, ihn beknien, bedrohen können. Das alles hat Andreas Sch. nicht getan. Er ist zur Polizei gegangen, und zwar sofort. Als Wüppesahl im Herbst ein klares Bekenntnis von ihm hören wollte, dass er auf ihn zählen kann, da habe er gesagt „ich bin dabei“ – und habe heimlich weitergedacht: „… dich in den Knast zu bringen.“ Denkt man so, wenn man nur ein Verbrechen verhindern will?

Im Prozess wurde Andreas Sch. eine Bemerkung vorgehalten, die er gegenüber der Polizei gemacht haben soll. Ja, nickte der Kronzeuge, das habe er so gesagt: „Ich will, dass Herr Wüppesahl die Höchststrafe bekommt.“ Für den dient das als Beleg, dass der vermeintliche Freund schon seit Jahren gegen ihn arbeitete. Deshalb habe er sich vorgenommen, ihn „zu überführen“. Er habe Andreas Sch. als Mittäter für einen Raubmord anwerben, sich von ihm die Tatwaffe besorgen lassen und diese dann triumphierend der Presse zeigen wollen: „Ich war mir sicher, mich nicht im strafrechtlichen Bereich zu bewegen“, beteuert Wüppesahl.

Aber bei der Übergabe der Tatwaffen wurde er in der Wohnung des Kronzeugen verhaftet.

Elke Spanner[Hamburg]

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