zum Hauptinhalt
Dr. med. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Kabarettist,

© Frank Eidel

Dr. med. Eckart von Hirschhausen: Kleine Humorheilkunde - Folge 20

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Kabarettist, beschreibt in einer Serie im Tagesspiegel drei Wochen lang täglich an Beispielen, wie Humor funktioniert. Lesen Sie hier die Folge 20.

Zuerst der Witz:

Marilyn Monroe besucht die DDR. Der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker ist sichtlich angetan von der Frau und sagt zum Ende ihres Besuchs: „Frau Monroe, Sie haben einen Wunsch frei!“ Sie überlegt einen Moment und sagt: „Öffnen Sie die Mauer!“ Honecker wird ganz verlegen, läuft rot im Gesicht an und stammelt erfreut: „Sie wollen mit mir alleine sein?“

Als Schüler bekam ich im Wahlkampf in Berlin-Zehlendorf von dem kleinen bösen Mann der CDU, Heinrich Lummer, eine Broschüre in die Hand gedrückt mit DDR-Witzen, aus der diese Kostprobe stammt. Während auf der einen Seite der Mauer die Witze als Beleg für die „Freiheit statt Sozialismus“ Slogans galten, hatte der Humor in der DDR viele Funktionen. Zum einen war das Lachen „Ventil“, stiller Protest, kreative Waffe gegen die Willkür. Auf der anderen Seite, wie erst die Aufarbeitung der Archive ergab, wurde ausgerechnet das Kabarett auch staatlich instrumentalisiert, um nicht nur zu wissen, was auf der Bühne gesagt wurde, sondern auch, wer sich als Zuschauer an welchen Stellen amüsierte. Werner Finck hatte, im dritten Reich als Kabarettist verfolgt, die Qualitätsstandards benannt: „Satire, die der Zensor versteht, gehört zu Recht verboten.“ Der Honecker-Witz ist leichter zu verstehen, denn er zeigt die Schwäche eines jeden zu Macht gekommenen Mannes – seine Verführbarkeit. Zu glauben, dass Marilyn Monroe aus eigennützigen Motiven den Mauerfall betreibt, darauf kann auch wirklich nur ein eitler und erotisierter Mann kommen. Zur gleichen Zeit kursierte auch der Witz: Was wäre eigentlich passiert, wenn sie statt John F. Kennedy den Walther Ulbricht erschossen hätten? Keine Ahnung, aber eins ist klar: Onassis hätte nicht die Witwe geheiratet. Wir feiern dieses Jahr 25 Jahre Mauerfall. Und sollten all denen zutiefst dankbar sein, die mit allen sanften Mitteln der Kunst, mit Lied und mit Witz zum Wackeln der Macht beigetragen haben. Ich habe mich einmal lange mit einem Liedermacher unterhalten, der bis heute unter den Folgen der Stasigewalt leidet. Für mich „Westler“ kaum vorstellbar, wie kunstvoll oft an einer Formulierung gefeilt und gearbeitet wurde, wie viel zwischen Zeilen gesagt werden konnte. Und nicht nur gesagt, sondern auch gehört! Die etwas traurige Pointe meines Gesprächs mit dem Liedermacher war sein Fazit: „Heute darf ich alles sagen. Aber wer hört denn noch zu?“

Der Autor ist Arzt, Kabarettist und Gründer der Stiftung „Humor hilft heilen“. Live-Termine unter: www.hirschhausen.com. Zurückliegende Folgen finden Sie unter www.tagesspiegel.de/humorheilkunde.

Hören Sie hier eine Hörprobe aus der Hirschhausen-CD „Ist das ein Witz“:

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false