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Dr. med. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Kabarettist,

© Frank Eidel

Dr. med. Eckart von Hirschhausen: Kleine Humorheilkunde - Folge 9

Dr. med. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Kabarettist, beschreibt in einer Serie im Tagesspiegel drei Wochen lang täglich an Beispielen, wie Humor funktioniert. Lesen Sie hier die Folge 9.

Zuerst der Witz:

Ein Österreicher träumt davon, einmal nach England zu fahren. Sein Kumpel redet ihm zu: „Wenn du kein Englisch kannst, kein Problem. Rede einfach ganz langsam Österreichisch, dann werden die dich schon verstehen. Glaub mir, probiere es aus!“ Also kauft er sich ein Ticket, völlig aufgeregt geht er in London in die erste Kneipe und zwingt sich langsam zu sprechen. „B-i-t-t-e e-i-n B-i-e-r!“ Das Unfassbare passiert. Der Wirt stellt ihm wortlos ein Bier hin. Er freut sich, trinkt auf Ex und sagt. „N-o-c-h e-i-n B-i-e-r!“ Zack, das nächste wird serviert. Beim dritten Bier (auch auf langsamisch, aber mir wird das gerade mit den Bindestrichen zu blöd) fragt plötzlich der Wirt. „Wo kommst du her?“ Der Österreicher: „A-u-s G-r-a-z!“ Darauf der Wirt in fließendem Dialekt: „Na was red ma da Englisch?“

Wie Sie als aufmerksamer Leser der Humorheilkunde inzwischen wissen, haben viele Witze eine Dialogstruktur. Was ich an diesem Witz so mag: er beschreibt das, was man in der Psychiatrie eine „Foliè a deux“ nennt, ein gemeinsames Wahngebäude. Die Vorstellung ist so herrlich absurd, dass der Wirt vor Jahren schon, von der gleichen Idee beseelt, langsames Österreichisches sei gleich Englisch, auswanderte und einen Job fand. Und nun endlich jemanden findet, mit dem er wieder sein Muttersprache praktizieren kann. Und wie so oft, erschließt sich die Wirkung dieses Witzes vor allem in der „Performance“ wie es neudeutsch heißt. Und dem doppelten Rhythmuswechsel von angestrengt überdeutlich verlangsamtem Hochdeutsch und dem erleichterten raschen Verfallen in die Art, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Je lebendiger man diesen Gegensatz beim Erzählen ausbaut, desto erfrischender ist die Pointe. Und wie jeder gute Witz enthält er auch eine wahre Alltagsbeobachtung, wie oft Menschen, die merken, dass Gegenüber versteht sie nicht, einfach lauter oder langsamer sprechen, ohne auf den Gedanken zu kommen, der andere versteht womöglich die Sprache als solche nicht. Und dazu müssen Sie noch nicht einmal nach England fahren, um das zu beobachten. „V-e-r-st-an-den?“

Der Autor ist Arzt, Kabarettist und Gründer der Stiftung „Humor hilft heilen“. Live-Termine unter: www.hirschhausen.com. Zurückliegende Folgen finden Sie unter www.tagesspiegel.de/humorheilkunde.

Hören Sie hier eine Hörprobe aus der Hirschhausen-CD „Ist das ein Witz“:

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