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Opernball

© ddp

Dresdner Opernball: Auf glattem Parkett

Der Semper-Opernball war trotz des umstrittenen Putin-Auftritts eine glanzvolle Inszenierung.

Einen Moment lang sah es so aus, als gerate der im grandiosen Ambiente kunstvoll inszenierte Semper-Opernball in Dresden doch noch ins Kippen. „Ich kann mir nicht vorstellen, etwas getan zu haben, wofür das Land Sachsen mir dankbar sein sollte und hätte mir nie vorstellen können, den gleichen Orden zu bekommen wie ein großer Staatsmann“, sagte der für kulturelle Verdienste mit dem sächsischen Dankesorden ausgezeichnete Schauspieler Joachim Fuchsberger in seiner Ansprache mit Blick auf Wladimir Putin und jener ambivalenten Bescheidenheit, die Ironie sein kann, aber nicht sein muss. Sebastian Krumbiegel, Gründer der Popgruppe „Die Prinzen“, erzählte später: „Ich dachte schon, jetzt kommt so eine zornige Rede wie von Reich-Ranicki beim Fernsehpreis.“ Aber Fuchsberger ging rasch über zu den Schönheiten der Stadt, die ihn bei seinem zweiten Besuch überrascht hatten.

Später berichtete der Schauspieler kopfschüttelnd von einem weiteren Novum in seinem fast 82-jährigen Leben. Der wegen seiner KGB-Vergangenheit in Dresden hoch umstrittene Putin hatte ihm nicht nur gratuliert und für seine freundlichen Worte gedankt, sondern ihn auch noch umarmt und geküsst. Womöglich war es das späte Outing eines Fans, der in seiner Dresdner Zeit auch West-Filme geguckt hat.

Der Dresdner Opernball zeichnet sich durch die glanzvolle Inszenierung vor allem des 90-minütigen Eröffnungsprogramms aus. Diesmal ging es aber nicht nur um schöne Arien von Mozart und Strauss und aufregende Tanzszenen, wie den weltmeisterlich dargebotenen Paso Doble, sondern vor allem um die Kunst, eine von vielen Dresdnern als politischen Skandal oder unangemessenen PR-Akt empfundene Ordensverleihung auf eine menschliche Ebene runterzubrechen, die der Harmonie einer Ballnacht keinen Schaden zufügt. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich bewältigte diesen Drahtseilakt, indem er den Dankesorden kurzerhand zum Motivationsorden umwidmete, die drei Bilder erwähnte, die 2001 mit Putins Hilfe nach Dresden zurückkamen und betonte, dass Putin den Orden vor allem auch für die Zukunft bekomme. Da hatte Alexander Prinz von Sachsen, als siebenfacher Urenkel ein direkter Nachfahr Augusts des Starken, innerlich schon die Feder gezückt. Die kritischen Diskussionen im Vorfeld des Balls hatte der Unternehmer aufmerksam verfolgt. „Nun werde ich ihm einen Brief schreiben und auf die 40 Kisten mit Kunstschätzen aus dem Besitz meiner Familie hinweisen, die sich noch in russischem Besitz befinden.“ Seine Frau Gisela wirbt in Dresden schon mal für mehr Verständnis für die Russen und ihre Probleme und dafür, die großen historischen Zusammenhänge zu sehen.

„Uns verbindet ein gemeinsames Schicksal“, sagte auch Putin in seiner fast zehnminütigen auf Deutsch gehaltenen Rede. Er schritt nicht, wie die anderen Ehrengäste, zu Fanfarenklängen mit weitausholenden Schritten übers Parkett, sondern wurde durch umherstehende Gästegruppen seitwärts zu seinem Platz in der ersten Reihe geführt. Dabei fasste er sich immer wieder an die Nase, als sei so ein bürgerlicher Ball mit royalen Reminiszenzen nicht gerade sein Traumterrain. Dann aber gab er sich ganz als Schöngeist, zitierte Dostojewski und beschwor die Kraft der klassischen Musik zur Stärkung des Geistes in Zeiten der Krise.

Als Erster gratulierte er auch dem Olympiasieger Matthias Steiner, der in seiner vergleichsweise kurzen und improvisierten Rede sagte, wie sehr ihn der Gesang des Bassbaritons Erwin Schrott gerührt habe. Bei den olympischen Spielen hatte er die Welt gerührt, als er in der Stunde des Sieges immer wieder das Foto seiner bei einem Unfall verstorbenen Frau küsste.

Die Botschafter Israels und Englands lobten vor allem den wunderbaren Anblick der 92 Debütantenpaare. Alle Mädchen trugen die gleichen langen roten Kleider, dazu Diademe und glitzernde Colliers. Sie tanzten wie ein erprobtes Ballett, ein echter Wow-Effekt. Unter ihnen war auch Stephanie R., die vor drei Jahren einem grausamen Entführer zum Opfer gefallen war und den Ball nach Aussagen der Veranstalter, die sie vor Medienneugier schützten, mit großer Freude genossen hat.

Die eingangs den Small Talk dominierenden Themen PR und Politik nahmen nach dem Eröffnungstanz ab. „Ist alles aufgegangen“, bilanzierte weit nach Mitternacht zufrieden Hans-Joachim Frey, der künstlerische Gesamtleiter des Balls. Ob Putin durch den Heiligen Georg, der, wie er betonte, nicht nur den Orden, sondern auch das Moskauer Wappen ziert, geläutert wird, ob Stephanie R. hier in ein glückliches Leben tanzte, ob Alexander Prinz zu Sachsen seine 40 Kisten wiederbekommt, ob Sebastian Krumbiegels Pläne, sich noch mehr gegen rechte Gewalt zu engagieren, erfolgreich sein werden, wird man später sehen. Für Neuanfänge bietet ein Ball reichlich Gelegenheiten und dafür ist es auch nie zu spät.

Das zeigte der fast 82-jährige Joachim Fuchsberger noch nachts um eins in Interviews. Angesichts der vielen ungewöhnlichen Dinge, die er an diesem Abend erlebt hatte, wiederholte er seinen Wunsch: „Dies war zwar der erste Opernball meines Lebens, aber hoffentlich nicht der letzte.“

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