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Panorama: Drogen im Blut rechtfertigen noch kein Fahrverbot

Das Bundesverfassungsgericht verlangt einen Grenzwert für den Nachweis von Fahruntüchtigkeit

Wer einen Joint raucht und tags darauf Auto fährt, darf nicht ohne weiteres mit einer Geldbuße oder einem Fahrverbot bestraft werden. Für das Autofahren unter Cannabis-Einfluss gilt in Zukunft ähnlich wie bei Alkohol ein Grenzwert. Das folgt aus einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Nach dieser Entscheidung können die Gerichte erst bei einer Blutkonzentration von etwa einem Nanogramm des Wirkstoffs THC pro Milliliter – das entspricht einem Milliardstel Gramm – ein Fahrverbot verhängen. Zur Begründung heißt es, durch technische Neuerungen seien inzwischen noch Tage nach einem Haschischkonsum geringe Konzentrationen nachweisbar. Deshalb könne nicht mehr bei jedem Nachweis von Drogenkonsum von einer Fahruntüchtigkeit des Fahrers ausgegangen werden.

Mit dem am Donnerstag veröffentlichten einstimmigen Kammerbeschluss hatte die Verfassungsbeschwerde eines Autofahrers Erfolg, bei dem eine Konzentration des Cannabiswirkstoffs THC im Spurenbereich von nur 0,5 Nanogramm (ng) festgestellt worden war. Er hatte 16 Stunden vor der polizeilichen Kontrolle einen Joint geraucht. Trotz der geringen Menge wurden vom Amtsgericht Kandel in Rheinland-Pfalz ein Fahrverbot und eine Geldbuße verhängt. Das Oberlandesgericht Zweibrücken bestätigte diese Entscheidung im November 2003.

Auf die Verfassungsbeschwerde des Betroffenen hin hob eine Kammer des Ersten Senats diese Entscheidung jetzt auf und verwies den Fall zurück an das Amtsgericht. Die Verfassungsrichter verlangen eine verfassungskonforme Auslegung des Straßenverkehrsgesetzes: Ordnungswidrig handelt danach ein Autofahrer, der „unter Wirkung“ einer Droge ein Kraftfahrzeug führt. Früher sei THC nur wenige Stunden nach dem Konsum nachweisbar gewesen, so dass der Gesetzgeber stets vom Nachweis der Droge auf die Fahruntüchtigkeit schließen konnte. Wie die drei zuständigen Verfassungsrichter ausführen, können inzwischen Spuren von THC sogar noch nach Wochen nachgewiesen werden. „Für Cannabis trifft daher die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit nicht mehr zu“, schließt daraus das Verfassungsgericht. Eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit trete nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erst bei etwa einem Nanogramm auf. Manche Gerichte, darunter das Bayerische Oberste Landesgericht, gehen bereits von diesem Grenzwert aus. Mit der Entscheidung ist eine Vereinheitlichung der Gerichtspraxis verbunden (AZ: 1 BvR 2652/03).

Da im konkreten Fall wesentlich geringere Spuren von Cannabis nachweisbar waren, sei der Betroffene möglicherweise nicht mehr „unter der Wirkung“ von Drogen Auto gefahren, als er sich – wegen einer ganz anderen Angelegenheit – ausgerechnet auf den Weg zur Polizei machte, wo er wegen auffälligen Verhaltens von Beamten zu dem freiwilligen Urintest überredet wurde. Das muss das zuständige Gericht nun bei seiner neuen Entscheidung berücksichtigen. (mit dpa)

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