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Farbenspiel. Durch seine weiße Mutter Ann Dunham könnte der spätere US-Präsident mit schwarzen Sklaven verwandt sein.

© AFP

Ein amerikanischer Traum: Obama soll vom "ersten schwarzen Sklaven" abstammen

Genealogen zufolge hat die weiße Mutter des schwarzen Präsidenten wiederum schwarze Wurzeln. In den USA ist diese Frage eine hochpolitische: Ist Obama wirklich ur-amerikanisch?

Hinter der Schlagzeile müsste ein Fragezeichen stehen. Die symbolische Wirkung der Spekulation auf die Öffentlichkeit in den USA ist jedoch so bedeutend, dass viele Medien es lieber weglassen: Ist Barack Obama ein direkter Nachkomme des ersten schwarzen Sklaven auf dem Gebiet der heutigen USA? Das behauptet ein Forschungsteam der Webseite Ancestry.com.

Den definitiven Beweis, das fügen die Fachleute hinzu, können sie nicht führen. Zu viele Unterlagen sind verloren gegangen, um die Kette von Obama bis zurück zu jenem John Punch im Jahr 1640 lückenlos zu schließen. Aber die Faszination vieler US-Bürger an den Licht- und Schattenseiten ihrer an Widersprüchen reichen Geschichte ist wieder einmal geweckt.

Man könnte weitere Einwände erheben: War John Punch überhaupt der erste Sklave in Nordamerika? Manche Historiker meinen, das sei ein John Castor gewesen. Ist es wirklich neu, dass Barack Obama über seine mütterliche Familie eine direkte Verbindung zur Sklaverei hat? Das war bereits 2007 im damaligen Präsidentschaftswahlkampf als Neuigkeit verkündet worden. Obama hatte die News sogleich in eine viel beachtete Rede in Selma, Alabama, einem Pilgerort der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, aufgenommen und sich bildlich in eine Reihe mit Martin Luther King und anderen ihrer Helden gestellt: „Auch ich habe eine Sklavenvergangenheit!“ Schließlich: Ist nicht am Ende jeder mit jedem verwandt, wenn man nur weit genug in der Historie zurück geht?

Doch wer möchte schon mit solchen Einwänden den Wert einer so schönen Geschichte schmälern. Sie hat auch politische Bedeutung im Wahlkampf. Obamas Gegner auf der Rechten versuchen seit langem den Eindruck zu verbreiten, der Präsident sei ein kultureller Fremdkörper in Amerika. Sein Vater stammte aus Afrika und blieb nur wenige Jahre als Gaststudent in den USA. Er selbst wurde auf Hawaii geboren, viele tausend Kilometer westlich des Festlands, sozusagen in Asien. In Indonesien verbrachte er zudem prägende Kindheitsjahre. Die rasche Schlussfolgerung der Rechten: Obama sei kein richtiger Amerikaner.

Nun aber belegen die Erkenntnisse der Ancestry-Forscher, wie typisch amerikanisch Obamas Familiengeschichte mütterlicherseits ist. Dazu gehören auch die lange schamhaft verschwiegenen sexuellen Verbindungen zwischen schwarzen Sklaven und ihren weißen Besitzern. Oder zwischen weißen Frauen und nicht versklavten Schwarzen.

Eine ähnlich komplexbeladene Faszination hatten vor kurzem neue Erkenntnisse über die Ahnenreihe der First Lady ausgelöst. Unter Michelle Obamas Vorfahren waren weiße Sklavenhalter, das belegen genetische Untersuchungen. Neue Techniken wie die DNA-Analyse und die elektronische Erfassung historischer Daten aus Volkszählungen, Grundbüchern und anderen amtlichen Dokumenten bieten professionellen Forschern und Hobby-Genealogen Werkzeuge zur Untersuchung von Familiengeschichten.

Zwei Jahre lang hatte Ancestry.com Informationen zu den Vorfahren von Barack Obamas Mutter Ann Dunham gesammelt, die als Weiße in Kansas geboren wurde. Dabei stießen die Forscher auf die Familie Bunch, mit der die Dunhams blutsverwandt sind und in deren DNA Hinweise auf schwarze Ahnen aus Afrika gefunden wurden. Die Namensähnlichkeit war das erste Verbindungsglied zu jenem John Punch, der als „erster Sklave“ gilt. Die Forscher konnten diese Mutmaßung mit weiteren Belegen aus Grundbüchern unterfüttern.

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Die Bunchs lebten im 17. Jahrhundert in Virginia, teilten sich aber in zwei Linien auf. Die eine blieb in Virginia und galt als „weiß“, die andere zog nach North Carolina und wurde dort zumindest zeitweise als „mulatto“ in amtlichen Unterlagen geführt.

Die Dunhams sind Nachfahren der weißen Virginia-Linie der Bunchs. Obamas Ururururgroßmutter Anna Bunch kam in Tennessee auf die Welt. Ihre Tochter Frances Allred, geboren 1834, zog nach Kansas. Über vier Generationen blieb die Familie dort. 1942 kam Ann Dunham, die Mutter des Präsidenten in Wichita zur Welt.

Manche Historiker bezweifeln, ob jener John Punch ein Sklave war. Offiziell gab es die Sklaverei 1640 in Virginia noch nicht. Die Einordnung als „Sklave“ hat mit einem Gerichtsurteil zu tun. John Punch hatte seine Arbeitskraft verpfändet und flüchtete, um die vereinbarte Leistung nicht erbringen zu müssen. Das taten damals auch viele arme Weiße. Punch wurde gemeinsam mit zwei Weißen in Maryland aufgegriffen und nach Virginia zurückgebracht. Dort wurden die beiden Weißen dazu verurteilt, einige Jahre länger als ursprünglich vereinbart, ihre Arbeitskraft an den Gläubiger abzutreten. Für den Schwarzen John Punch lautete die Strafe, lebenslang arbeiten zu müssen. Das bringt einige Historiker dazu, in Punch den ersten Sklaven zu sehen, auch wenn die Institution der Sklaverei noch nicht offiziell eingeführt war.

Laut Ancestry.com zeugte John Punch Kinder mit einer weißen Frau. Diese Nachkommen galten als Freie und führten den Namen Bunch. Zu jener Zeit lebten insgesamt nur ungefähr 150 Schwarze in Virginia. Deshalb hält das Forscherteam es für sehr wahrscheinlich, dass Punch ein Vorfahre Obamas war.

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