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Panorama: Ein Berliner in New York

Max Raabes erster Auftritt in der Carnegie Hall

Der rot livrierte Portier, der den Weg zum Kassenhäuschen der Carnegie Hall bewacht, fragt mit besorgter Miene: „Haben Sie vorbestellt? Ja? Gut, es ist nämlich ausverkauft.“ Es gibt keine Zeit kultureller Ebbe in New York, aber in dieser Jahreszeit sind die Broadway-Spielstätten, die Opernhäuser und die neuen Jazz- Clubs am Columbus Circle besonders geschäftig. Da mit dem Export deutscher Tanzmusik und Schlager von vor 70 Jahren einen Hit auf einer der legendärsten Bühnen der Welt zu landen, das ist schon etwas. Zwar ist es noch nicht die Hauptbühne, sondern nur die „Zankel Hall“ im Keller, aber die 660 Plätze wollen auch erst einmal gefüllt sein. Dass es gelingen könnte, ahnte Max Raabe im vergangenen Jahr nach seinem ersten Auftritt in der Stadt. Er war in Kammerbesetzung gekommen, mit seinem Pianisten Christoph Israel, ohne das komplett besetzte zwölfköpfige Palastorchester. Das Kaffeehaus in der „Neuen Galerie“ am Central Park war ebenfalls zweimal ausverkauft und selbst bei einem eilends angesetzten Zusatzkonzert mussten noch welche draußen bleiben. „Damals wurden wir von einer Agentur angesprochen, die vorschlug, in der Carnegie Hall aufzutreten“, erinnert sich Raabe, „die sagten, es ginge der Weg ins Land über New York.“

Versucht haben das schon viele, aber die Stadt hat immer noch den Ruf, ebenso kenntnisreich wie unbarmherzig zu sein. Ein Fehltritt, und alles ist aus. Doch Raabe weiß, worauf er bauen kann: „Es funktioniert, auch wenn vielleicht die Reaktion an etwas schwierigen Textstücken nicht da ist.“ Das Programm ist zurechtgetrimmt, ergänzt durch ein paar amerikanische Klassiker wie Cole Porters „Night and Day“ oder „Singing in the Rain“, aber auch kleine deutsche Luststückchen wie „Ich steh’ mit Ruth gut“ fehlen nicht.

Die Reaktion des Publikums zeigt, dass Raabe dessen Zusammensetzung richtig geraten hat: „New York ist eine Immigrantenstadt, deshalb werden viele Deutsche kommen. 60 bis 70 Prozent ältere, die die Musik an ihre Jugend in Deutschland erinnert, ein paar Jüngere und dann die Au-pairs.“ Sie liegen ihm schon nach den ersten Takten zu Füßen, amüsieren sich köstlich über seine kurzen Moderationen, bei denen er die wenigen englischen Worte so durchkaut, langzieht und um Kunstpausen drapiert, dass am Schluss ein leichtes Heben der Augenbraue reicht, um Gelächter zu provozieren.

Wie üblich tadellos im Schick der 20er und 30er gekleidet, pendelt Raabe wie eine am Boden verankerte Bohnenstange um den Mikrofonständer, mit minimalen Gesten auskommend und die Bandbreite seines Baritons wunderbar mühelos ausschöpfend. Am Ende bricht ein Begeisterungssturm los, der erst nach der vierten Zugabe gestillt ist. Der Saal erbebt unter dem Fußgestampfe entzückter 70-jähriger New Yorkerinnen, die Au-pair-Mädchen klatschen sich die Hände wund.

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