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Panorama: Ein halber Fußball als Sturzhelm

In Indiens Hauptstadt dürfen Motorradfahrer nicht mehr oben ohne fahren - außer wenn sie weiblich und Sikhs sindVON GABRIELE VENZKY DELHI.Seit dem 1.

In Indiens Hauptstadt dürfen Motorradfahrer nicht mehr oben ohne fahren - außer wenn sie weiblich und Sikhs sindVON GABRIELE VENZKY DELHI.Seit dem 1.November gilt in der indischen Hauptstadt Delhi ein neues Gesetz, und die Polizei scheint ausnahmsweise entschlossen, es auch umzusetzten: Alle Motorrad- und Motorrollerfahrer müssen von nun an Sturzhelme tragen.Die fliegende Händler, die an allen wichtigen Straßenkreuzungen der Hauptstadt auftauchen, machen durch das Gesetz glänzende Geschäfte.Obwohl oder gerade weil es nicht so ganz klar zu sein schein, was ein Sturzhelm eigentlich ist.Die sonderbarsten Kopfbedeckungen sind plötzlich im Straßenverkehr zu sehen: Kochtöpfe auf den Häuptern der mitfahrenden Ehefrau und millimeterdünne Plastikgebilde auf den Köpfen der lieben Kleinen, die zusätzlich zur Mutter zu zweit oder dritt per Motorroller transportiert werden.Selbst ein halbierter Fußball mußte herhalten.Die Polizei hält alles an, was barhäuptig durch die Gegend fährt, Tausende pro Tag. Eine einzige Ausnahme von der generellen Helmpflicht macht die neue Verordnung allerdings.Die turbantragenden Sikhs brauchen nichts weiter überzustülpen, wiewohl kaum einzusehen ist, daß ein paar Meter Stoff ausreichend Sicherheit bieten sollen.Nichts aber steht in den Paragraphen über ihre Frauen, die sich nun aus religiösen Gründen gegen die Helme wehren.Religiöse Gründe sind in Indien beständig Vehikel, um Ausnahmeregelungen zu erzwingen.In diesem Fall zitiert die Sikh-Gemeinde ihr heiliges Buch, den Guru Granth Sahib: Frauen sollen auf ihrem Kopf nichts anderes tragen als die Dupatta, ein dünnes Tuch.An dem großen Sikh-Tempel Delhis, der Bangla Sahib Gurdwara, steht denn auch bereits ein handgeschriebens Schild: "Eintritt für Frauen mit Helmen verboten. Die Angelegenheit hat den Regierungschef von Delhi, der der rechtsextremen Indischen Volkspartei BJP angehört, in schwere Bedrängnis gebracht.Denn in der indischen Hauptstadt lebt die größte Sikh-Gemeinde außerhalb ihres Heimat-Staates Punjab.Ihr gehören immerhin zwei Millionen Menschen an, Wähler! Er möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als sei seine Partei gegen die Sikhs, ließ der erschreckte Chief Minister wissen, und so werden die Sikh-Frauen wohl ihre Ausnahmeregelung bekommen. Bleibt die Frage, was soll die Polizei in Zukunft tun? Anhalten oder nicht, wenn eine mit fliegenden Haaren auf dem Motorroller daherkommt? Schließlich ist es den Damen nicht anzusehen, welcher Religion sie angehören.

GABRIELE VENZKY

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