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Panorama: Ein Heiliger – auch ohne Seligsprechung

Das Grab des vor einem Jahr verstorbenen Papstes Johannes Paul II. besuchen täglich bis zu 20 000 Pilger

„Avanti, avanti! No stop, please, no stop!“ Wer in Rom den zukünftigen Heiligen besucht, darf sich nicht beim Beten erwischen lassen. Gnadenlos winken vatikanische Wächter die Massen am schlichten, schmucklosen Grab von Johannes Paul II. vorbei. Bis zu 20 000 Pilger ziehen pro Tag durch die engen Grotten unter dem Petersdom. Längst ist der normale Besucherrundgang gesperrt; es geht nur noch darum, möglichst viele Leute möglichst zügig durchzuschleusen. Noch wird man des Andrangs anders nicht Herr.

Vor einem Jahr, am 2. April 2005, ist Johannes Paul II. gestorben, nach Auskunft des Vatikans genau um 21 Uhr 37. Fromme wollen schon darin einen Fingerzeig Gottes erkennen: Die Quersumme aus 21.37 ist 13; an einem 13. (Mai) ist die von Johannes Paul II. so verehrte Jungfrau von Fatima erstmals erschienen; an einem 13. (ebenfalls Mai) schoss Ali Agca auf den Papst.

Im Empfinden seiner Verehrer ist Johannes Paul II. längst heilig; das gibt auch Vatikan-Sprecher Joaquin Navarro-Valls zu. Gewissermaßen dem „Druck der Straße“ und den „Santo subito“-Rufen Zehntausender von Gläubigen auf dem Petersplatz folgend, hat Benedikt XVI. die üblichen fünf Jahre Wartezeit bereits nach drei Monaten abgebrochen und den Seligsprechungsprozess formell eröffnet.

Seither sammelt und sichtet man im polnischen Krakau und in Rom viele Tausende von Hinweisen, die für die Heiligkeit Karol Wojtylas sprechen – aber auch, weil es sich ja um ein „offenes Gerichtsverfahren“ handelt, die eher wenigen Einwände von Kritikern. Per Post oder übers Internet melden sich nicht nur Katholiken aus aller Welt, sondern auch Orthodoxe, Protestanten, Juden, ja sogar Muslime und einzelne Hindus, die Wojtylas – in der kirchlichen Prozesssprache – „heroischen Tugendgrad“ bestätigen.

Manche „Zeugnisse“ sprechen auch von medizinisch unerklärlichen, durch die Fürsprache von Johannes Paul II. bewirkten Heilungen – und auf solche Nachrichten kommt es ganz besonders an: Zur formellen Seligsprechung muss mindestens ein Wunder nachgewiesen werden.

Konkret untersucht die Seligsprechungskommission unter dem polnischen Priester Slawomir Oder derzeit den Fall einer französischen Nonne, die nach einem Gebet zum (verstorbenen) Johannes Paul II. urplötzlich von Parkinson genesen sein soll, von derselben Krankheit also, unter der auch der Papst mindestens 14 Jahre lang litt.

Dass Benedikt XVI. noch einmal den geregelten Gang des Prozesses abbricht und vielleicht schon im Mai, bei der geplanten Polenreise, seinen Vorgänger spontan zum Seligen ausruft, das gilt derzeit als unwahrscheinlich.

Sicher ist: Mit der Seligsprechung, sobald Johannes Paul II. also von der Kirche offiziell zur Verehrung freigegeben ist, wird man ihn auch innerhalb des Petersdoms „befördern“. Dann kommt er hinauf in die Kirche. Und das Gedränge in den Grotten hat ein Ende.

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