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Panorama: Ein Imam rockt die Türkei

Tüzer ist tagsüber Geistlicher, abends Sänger. Der Religionsbehörde gefällt das gar nicht.

Istanbul - Alle sind sich einig, dass Ahmet Muhsin Tüzer eine gute Stimme hat. Umstritten ist aber, was er mit dieser Stimme so alles anstellt. Tagsüber kümmert sich der 42-jährige Tüzer als Imam und Muezzin der Dorfmoschee von Pinarköy um das Seelenheil der Gläubigen in dem kleinen Weiler in der Nähe von Antalya. Nach dem letzten Gebet am Abend steht er als Sänger der Rockband „FiRock“ auf der Bühne. Beim ersten und bisher einzigen Konzert der Band im August in der Kreisstadt Kas hatte sich der Hauptberuf des Frontmanns von „FiRock“ schon herumgesprochen. Rund tausend Zuhörer und viele Kamerateams wollten den singenden Imam sehen, im Oktober soll das erste Album erscheinen.

Sein Engagement bei „FiRock“ versteht Tüzer durchaus auch als Dienst an Gott: Er singe schließlich nicht über Sex oder Satan, sagte er dem Tagesspiegel. Im türkischen Fernsehen machte Tüzer mit Aufnahmen Furore, die ihn zuerst im feierlichen Gewand beim Gebetsruf und dann im T-Shirt auf der Bühne zeigten.

Doch nicht alle in der Türkei sind begeistert vom „rockenden Imam“, wie Tüzer mittlerweile genannt wird. Nach dem ersten Konzert von „FiRock“ erhielt er mehrere hundert Droh- und Schmähbotschaften. Das staatliche Religionsamt im fernen Ankara reagierte auf die Fernsehbilder vom singenden Imam mit einem Disziplinarverfahren. Der Beruf des Imams sei nun einmal nicht mit anderen zu vergleichen, erklärte der stellvertretende Provinzchef des Religionsamtes in Antalya, Mustafa Aydin. Als türkischer Imam ist Tüzer ein Angestellter der staatlichen Religionsbehörde, die alle 85 000 Moscheen im Land verwaltet, und damit Staatsbeamter.

Für die beamteten Geistlichen gelten besondere Vorschriften. Dinge, die bei normalen Beamten keine Rolle spielten wie das Privatleben, seien bei Imamen wichtig, sagte Aydin der türkischen Presse. Im vergangenen Jahr war ein anderer Imam vom Dienst suspendiert worden, weil er Affären mit mehreren Frauen gleichzeitig gehabt haben soll. Im Fall Tüzer schickte das Religionsamt einen Inspektor aus Ankara nach Pinarköy, um dem „rockenden Imam“ auf den Zahn zu fühlen. Im äußersten Fall wird sich der Geistliche zwischen seinem Beruf und seiner Freizeitbeschäftigung entscheiden müssen. Eine Entscheidung wird in den kommenden Wochen erwartet.

Tüzer ist sich keiner Schuld bewusst. Sein Hobby beschädige das Relgionsamt in keiner Weise, sagte er. Nicht zum ersten Mal in seiner Karriere stellt er Konventionen infrage: Tüzer heiratete eine Christin, als erster Beamter des Religionsamtes überhaupt, wie er sagt. Seine Frau ist inzwischen zum Islam übergetreten.

Inzwischen hat der Inspektor seine Untersuchungen abgeschlossen. Tüzer sagte dem Tagesspiegel, der Mann habe nicht nur mit ihm gesprochen, sondern auch mit den Leuten aus seinem Dorf und sogar mit „Atheisten“ in der Kreisstadt Kas. Von allen Befragten will Tüzer gehört haben, dass sie dessen Musik-Karriere im Gespräch mit dem Inspektor unterstützt hätten. Nun hoffe er sehr, dass die Religionsbehörde in Ankara grünes Licht für seine Rock-Leidenschaft geben werde.

Fest steht für Tüzer, dass er sich bei einem Nein der Religionsbehörde zur Rockmusik nicht ohne Weiteres geschlagen geben wird. Sein Hobby wolle er nicht aufgeben, zumal er Angebote aus den USA habe und ein Duett mit Madonna singen wolle, sagte er. Und wenn Ankara ihn trotzdem auffordern sollte, entweder die Rockmusik aufzugeben oder sein Amt als Imam? Tüzer zögerte keine Sekunde mit der Antwort: „Dann gehe ich vor Gericht.“ Thomas Seibert

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