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Panorama: Ein Land steht still

Von Ralph Schulze, Madrid Der 24stündige Generalstreik gegen das Arbeitslosengesetz in Spanien hat am Donnerstag weite Teile des öffentlichen Lebens und auch des nationalen Tourismusbetriebes lahmgelegt. Viele Geschäfte waren geschlossen, Fabriken standen still.

Von Ralph Schulze, Madrid

Der 24stündige Generalstreik gegen das Arbeitslosengesetz in Spanien hat am Donnerstag weite Teile des öffentlichen Lebens und auch des nationalen Tourismusbetriebes lahmgelegt. Viele Geschäfte waren geschlossen, Fabriken standen still. Besonders betroffen war der Flug-, Zug- und Busverkehr des Landes.

Unter dem Ausstand litten auch zehntausende ausländische Urlauber, die aus Deutschland und anderen Ländern gestern nach Spanien reisen wollten, und deren Flüge überwiegend auf den heutigen Freitag verlegt worden waren. In etlichen Regionen, wie etwa auf den Balearen, gab es Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Streikposten, die auch von den Behörden angeordnete Notdienste verhindern wollte.

Der Flughafen von Palma de Mallorca etwa war am Streiktag weitgehend verwaist. Von den 450 Urlauberflügen, die am Donnerstag hier eigentlich ankommen und abfliegen sollten, waren die meisten gecancelt worden. Die Airlines verlegten alles, was sich verschieben ließ, auf den heutigen Tag. Nur etwa 70 Flüge mit rund 10 000 Reisenden wurden gestern in Palma abgefertigt. Doch auch diese Passagiere hatten nichts zu lachen. Die Streikposten wollten am Vormittag weder Touristenbusse zum Flughafen durchlassen noch vom Airport zu den Hotels. Sie schafften es schließlich nach längerer Wartezeit, mit Polizeieskorte und nachdem die Beamten Blockaden auf den Zufahrtsstraßen beiseite geräumt hatten.

Weil Flughafenbars geschlossen waren, mussten Rot-Kreuz-Helfer die Reisenden auf dem Airport versorgen. Auch wer bereits auf den Balearischen Inseln war, konnte gestern nur bedingt unbeschwerten Urlaub verbringen. Sämtliche organisierten Ausflüge wurden abgesagt, die meisten Betten blieben ungemacht. Viele Hotels hatten am Vortag bereits ein karges kaltes Mittagessen vorbereitet, dass sich die Gäste am Streiktag auf Plastiktellern abholen konnten.

Auch in den Fährhäfen der Inseln ging nichts mehr. Die Reisebranche, die ihren Gästen für eventuell verlorene Urlaubstage Entschädigungen zusagte, sprach von einem „großen Schaden für das Image Mallorcas". Die bisherige Lieblingsurlaubsinsel der Europäer macht ohnehin derzeit ihre größte Krise der Geschichte durch. Die Hotels verzeichnen, im Vergleich mit dem Vorjahr, Rückgänge von rund 25 Prozent - besonders dramatisch ist der Einbruch bei den Deutschen.

Auch am heutigen Freitag müssen die Mallorca-Reisenden wegen des Staus der Flüge, die am Streiktag abgesagt worden waren, mit Verspätungen rechnen. Bereits am Mittwoch war es wegen des europäischen Fluglotsenstreiks mehr als vierstündigen Verspätungen gekommen. Ähnlich wie auf Mallorca sah es gestern auch auf den Urlauber-Airports in Malaga, Alicante und den Kanarischen Inseln aus. Landesweit hatten sich die beiden großen Gewerkschaften UCT (sozialistisch) und CCOO (kommunistisch) auf den Standpunkt gestellt, dass der Touristentransport nicht zu den existentiellen Bedürfnissen gehört, die laut Gesetz durch Notdienste abgedeckt werden müssen. Dabei ist das Urlaubergeschäft mit 12 Prozent des spanischen Bruttoinlandsproduktes der weitaus wichtigste Wirtschaftszweig des Landes.

Spaniens konservative Regierung und die sozialistische Opposition stritten derweil über Erfolg oder Misserfolg des Generalstreikes, des fünften in der noch jungen spanischen Demokratie. Nach staatlichen Angaben folgten weniger als 20 Prozent der spanischen Arbeitnehmer dem Streikaufruf. Die Gewerkschaften gingen hingegen von über 80 Prozent Beteiligung aus. Die Wahrheit dürfte wohl in etwa in der Mitte dieses Zahlenspiels liegen.Tatsache ist, dass die Behörden es schafften, die angeordnete Minimalversorgung der Bevölkerung in weiten Teilen des Landes durchzusetzen – wenn auch oft nur mit Polizeigewalt: Rund die Hälfte der Metrozüge in der Hauptstadt fuhren, die Fahrer wurden sicherheitshalber von Polizisten begleitet. Bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Streikenden gab es im ganzen Land Verletzte und Dutzende Festnahmen. Am erfolgreichsten waren die Streikenden zweifellos in der südspanischen Stadt Sevilla. Diese Stadt hatten die Gewerkschaften als nationales Zentrum des Arbeitskampfes gewählt. Denn hier treffen sich von heute an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union.

Auch in Griechenland mussten sich Einheimische und Touristen in Geduld üben. Wegen eines Streiks der griechischen Seeleute waren viele Ägäisinseln am Donnerstag von der Außenwelt abgeschnitten.

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