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Panorama: Einmal Terrorist sein

Was sind Killerspiele? Wer genehmigt und verbietet sie? Wie umgehen Spieler das Verbot?

Afghanistan? Irak? Deutsche KSK-Kräfte oder US-Sondereinheiten? Der neue James-Bond-Film oder die virtuelle Umgebung eines Computerspiels? Der Ort der Handlung spielt genauso wenig eine Rolle wie die große Politik, wenn sich der „Counter-Strike“-Spieler vorsichtig von Hauswand zu Hauswand bewegt, sich kurz mit seinen Teamkollegen per Headset abstimmt, um dann den Gegner mit dem Sturmgewehr zu eliminieren. Die Aufgaben der Kämpfer unterscheiden sich dabei genauso wie die Truppenzugehörigkeit. Mal schlüpft der Spieler in die Rolle des Terroristen, der eine Sprengladung an einem Munitionsdepot anbringt, ein anderes Mal muss er als Mitglied einer Anti-Terroreinheit eine Geisel unverletzt aus der Gewalt des Gegners befreien. Nur eines ist sicher: Ohne Waffen und ohne Gewalt ist das Ziel nicht zu erreichen.

Nach dem Amoklauf des 18-jährigen Sebastian B. im nordrhein-westfälischen Emsdetten ist die Grenze zwischen virtueller und realer Welt wieder einmal durchlässiger geworden, zumindest nach Ansicht der Politiker, die erneut ein Verbot von Killerspielen fordern.

Der Ausdruck „Killerspiel“ stammt freilich nicht von den Spielern selbst, vielmehr wurde er von Günther Beckstein, dem bayerischen Innenminister, nach der Tragödie am Erfurter Gutenberg-Gymnasium im April 2002 geprägt. Gemeint sind damit seither alle Spiele, in denen Waffen und Gewalt eine maßgebliche Rolle spielen.

Zumeist handelt es sich um Spiele mit militärischem Hintergrund oder aus dem Agentenmilieu – zum Beispiel Jack Bauer in „24“. Aber auch die Jagd auf Monster aller Art wie im Genre-Klassiker „Doom“ oder die Rolle des Gangsta-Rappers in „GTA San Andreas“ sind beliebt. Den größten Reiz üben die virtuellen Ballerspiele auf junge Männer im Alter von 15 bis 25 Jahren aus, wobei vor allem das gemeinsame Spielen im Internet, auf Netzwerk-Partys oder in sogenannten E-Sports-Ligen eine zusätzliche Motivation darstellt.

Was die Kritiker besonders wurmt: Der wohl bekannteste Ego-Shooter „Counter-Strike“ erhielt noch nach dem Amoklauf von Erfurt die Einstufung „16 plus“. Das heißt: Ab 16 Jahren ist das Spiel freigegeben. Die Begründung: Das Spiel werde in „erheblichem Umfang“ von „strategischen Vorgehensweisen“ geprägt, zudem weise das Spiel eine starke Teamorientierung aus. Auch andere Ego-Shooter wie „Splinter Cell“ sind darum nach wie vor für Jugendliche ab 16 Jahren erhältlich.

„Ego-Shooter“ sind Spiele, bei denen der Teilnehmer auf dem Bildschirm seine virtuelle Hand und dieWaffe sieht, die er auf Ziele richtet. Er kann sich wie im Film fühlen, in dem er selbst zielt und tötet.

In Deutschland werden Computerspiele von der „Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle“ (USK) in Altersgruppen eingeteilt. Seit 2003 ist das Verfahren bindend, jedes Spiel, das auf den Markt kommt, benötigt das USK-Kennzeichen. Die Prüfer – Pädagogen, Journalisten und Sozialwissenschaftler – können Spiele ganz ohne Alterseinstufung freigeben oder mit Beschränkungen ab sechs, zwölf, sechzehn Jahren – oder ganz ohne Jugendfreigabe. Dann darf das Spiel gar nicht mehr an Jugendliche, sondern nur noch an Erwachsene über 18 Jahren verkauft werden. Solche Spiele dürfen nicht mehr beworben werden, und der Handel muss durch abgetrennte Verkaufsbereiche dafür sorgen, dass Minderjährige nicht an diese Spiele herankommen. Auch im Internet dürfen die 18-plus-Spiele nur nach vorheriger Altersprüfung verkauft werden. Immerhin fünf Prozent aller Spiele erhalten das mit roter Warnfarbe markierte 18-plus-Logo, darunter Titel wie „Half Life 2 Classic“, „Red Steel“ oder „Medal of Honor Heroes“ – alle drei Ego-Shooter.

Daneben gibt es aber noch eine Kategorie, die auf noch mehr Gewalt schließen lässt als die 18-plus-Titel; Spiele, die von der USK ohne Kennzeichnung zur Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Erfurt weitergeleitet werden, um dort auf die Schwarze Liste gesetzt zu werden. Ein Blick auf die Webseite der USK verrät jedoch, dass davon nur selten Gebrauch gemacht wird, zu selten nach Meinung der Kritiker. Seit der Änderung des Jugendschutzrechts 2003 wurden gerade einmal neun Titel ohne Kennzeichnung nach Bonn übersandt. Schlimmer noch: Bislang wurden gerade einmal zwei Spiele wegen Gewalt verboten. Die Spielehersteller, die größtenteils nicht in Deutschland sitzen, haben auf die geänderten Jugendschutzbestimmungen reagiert. Besonders brutale Titel wie „Manhunt“ werden gar nicht zur Kontrolle gegeben.

Was nicht viel heißen will. Per Kreditkarte können die indizierten Spiele im Ausland bestellt werden. Für illegal aus dem Netz kopierte Spiele gibt es zudem genauso wenig ein USK-Alterssiegel wie für die selbst gebrannten CDs, die auf Schulhöfen den Besitzer wechseln. Bislang fehlten zudem technische Möglichkeiten, um zu verhindern, dass Spiele aus dem falschen Altersbereich auf Computern oder Videospielkonsolen abgespielt werden. Immerhin das soll künftig besser werden, das neue Windows wird künftig über eine Jugendschutzsperre verfügen. Vorausgesetzt, die Spielehersteller unterstützen das System.

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