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Goodbye: Die Briten nehmen Abschied von der umstrittenen Margaret Thatcher.

© dpa

"Eiserne Lady" hinterlässt ein kontroverses Erbe: Tausende Briten nehmen Abschied von Margaret Hilda Thatcher

Beifall und Buhrufe: Die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher ist mit einer pompösen Feier beerdigt worden. Die Feier zeigt, wie umstritten die "Eiserne Lady" über ihren Tod hinaus ist. Sie wird neben ihrem Mann beigesetzt.

Beifall brandet auf, als sich der Sarg von Margaret Thatcher 25 Minuten vor elf Uhr vor der Kirche St.-Clement’s-Dane in Bewegung setzt. „Aber wir liebten sie“, steht auf einem Spruchband in leuchtendem Blau, das ein Mann an der Trauerstrecke zu der Kirche hochhält. „Sie hat unser Land von der Pest des Sozialismus gesäubert, und dafür sind wir ihr ewig dankbar“, sagt James, ein 70-jähriger Gentleman, der aufrecht in Dreiteiler mit Regenschirm an der Strecke steht.

Mit Trauerzug und zeremoniellem Begräbnisgottesdienst haben Tausende Briten der umstrittenen Premierministerin in London die letzte Ehre erwiesen. Am Straßenrand zeigten sie mit Respekt und Würde, Beifall und Hochrufen die Dankbarkeit, die sie für sie empfanden. Sie erinnerten sich, wie Thatcher mit einem bis heute umstrittenen Reformprogramm Großbritannien aus den Wirtschaftskrisen der siebziger Jahre herausführte.

Aber weder Beifall, noch die Marschmusik der Militärkapelle, auch nicht Kanonensalut, die gedämpfte Glocke der St-.Paul’s-Cathedral, nicht die strammen Habt Acht Rufe der Spalier stehenden Soldaten oder das Hufgetrappel der sechs Rappen, die den Sarg zogen, erstickten die Buhrufe, die es immer wieder gab.

Gleich bei St.-Clement’s-Dane, wo der Sarg aus einem motorisierten Leichenwagen nach kurzem Gebet auf das Pferdegespann umgeladen wurde, drehte eine Gruppe von zwei Dutzend Demonstranten dem Sarg unter lauten Buhs den Rücken. „Ich bin hier für diejenigen, die sie durch Armut, Verzweiflung, Polizei und Krieg getötet hat “, stand auf einem Plakat. Diesen Prunk und diese Kosten habe Thatcher nicht verdient, sagten Demonstranten. BBC-Reporter berichteten von Protesten in Nordengland, wo Thatchers Reformen zu Massenarbeitslosigkeit geführt hatten. In Goldthorpe wurde vor dem Gewerkschaftsclub eine Thatcherpuppe verbrannt. Ein Pub war mit Sprüchen wie „Ashes to ashes, dust to dust, Thatcher’s Britain has gone bust” geschmückt – Asche zu Asche, Staub zu Staub, Thatchers Großbritannien ist bankrott.

In London hatten sich manche Trauernde und Schaulustige mit der blauen Rosette der Tory Party, andere mit Union Jacks drapiert, schon am Vortag vor der St.-Paul’s-Cathedral eingefunden. Den stärksten Beifall gab es, als am Mittwoch dann die Queen und der Herzog von Edinburgh vor der St.-Paul’s-Cathedral vorfuhren und die Nationalhymne gespielt wurde. Es war das erste Mal seit dem Tod Winston Churchills 1965, dass die Queen an Beisetzungsfeierlichkeiten für einen ihrer Premierminister teilnahm. Durch ihre Anwesenheit wurde das Begräbnis de facto ein Staatsakt. Aber gerade der Vergleich mit Churchill hat in den vergangenen Tagen Widerspruch provoziert. „Churchill hat unser Land vor dem Untergang bewahrt. Thatcher hat ihr bestes getan, es vollends zu zerstören“, wetterte der linksradikale Abgeordnete George Galloway, der am Dienstag mit einer Sonderabstimmung verhindern wollte, dass die parlamentarische Fragestunde am Mittwoch wegen Thatchers Beerdigung ausfällt.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle, der Deutschland unter den 2300 geladenen Gästen aus 170 Nationen vertrat, schätzt Thatchers Erbe positiver ein. „Ich gehöre zu einer Generation, für die noch gilt: ,De mortuis nil nis bene’ (über die Toten nur Gutes)“, erklärte er, bevor er sich morgens von seinem Hotel zur Kathedrale aufmachte. Die „hässlichen Bilder“ über Thatchers Grab seien „Innenpolitik“. Die eiserne Lady habe Europa und die Welt geprägt. „Ohne Thatcher und ihr Reformprogramm wäre Großbritannien heute nicht so bedeutend in der Welt.“ Und: „Deutschland sollte nicht vergessen, dass sie in der Zeit des Kalten Krieges an unserer Seite stand.“

Nachdrücklich verteidigte Premier David Cameron Thatcher und die auf bis zehn Millionen Pfund geschätzten Kosten der Trauerfeiern. „Heute sind wir alle Thatcheristen. Die großen Argumente, die sie damals vortrug, werden heute von allen akzeptiert.“ Es wäre „seltsam gewesen, wenn wir einer großen Premierministerin, die in der ganzen Welt respektiert wurde, nicht gebührend Tribut gezollt hätten“.

In der Kathedrale erhob sich die Ansprache des Bischofs von London, Richard Chartres, über politische Kontroversen. „Nach dem Sturm eines kontroversen Lebens ist nun Stille eingetreten“, sagte er. Der Streit der Meinungen konzentriere sich auf die Symbolfigur. Beim Begräbnis gehe es um die sterblichen Überreste der wirklichen Margaret Hilda Thatcher. Aber dann wurde der Bischof doch ein wenig politisch. Mit ihrem Satz, „es gibt keine Gesellschaft“, sei Thatcher missverstanden worden, sagte er und zitierte aus einer anderen Rede: „Wir erringen Glück und Erlösung nicht in der Isolation, sondern als Mitglieder der Gesellschaft.“

Der Gottesdienst endete mit dem patriotischen Choral „I vow to thee my country“ – Ich gelobe dir, mein Land, den Dienst meiner Liebe, heißt es da. Als Thatchers Sarg aus der Kathedrale getragen wurde, brandete noch einmal Beifall auf. Ihre Asche wird im Royal Hospital Chelsea neben der ihres Mannes Denis beigesetzt.

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