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Unter Journalisten. Bei seinem Berlinbesuch zeichnete Vicar für den Tagesspiegel-Reporter zum Abschied Donald als Berufskollegen.

© lvt

Panorama: Entenhausen trägt Trauer

Er schuf so viele Geschichten mit Donald Duck und Co wie kaum ein anderer. Jetzt ist der Comiczeichner Vicar im Alter von 77 Jahren gestorben.

Es gab Tage, da sah er nach vielen Stunden am Zeichentisch manchmal selbst ein bisschen aus wie eine Ente, fand seine Frau. Das waren die Tage, an denen sie irgendwann genug von den ewigen Scherzen ihres Mannes hatte, wie sie dem Tagesspiegel vor sieben Jahren erzählte, als das Ehepaar zu Besuch in Berlin war. „Wenn Victor abends aus dem Atelier nach Hause kommt und immer weiter Späße wie im Comic macht, dann sage ich: Um Gottes Willen, sei doch mal ernst!“

Jetzt macht der Chilene Victor Arriagada Rios alias Vicar keine Scherze mehr. Am Dienstag starb der produktivste Donald-Duck-Zeichner der vergangenen Jahrzehnte im Alter von 77 Jahren, wie der Egmont-Ehapa-Verlag am Donnerstag in Berlin mitteilte. Mehr als 10 000 Seiten mit den Abenteuern von Donald Duck & Co schuf der Künstler mit wechselnden Autoren im Laufe der vergangenen vier Jahrzehnte für den europäischen Markt, vor allem für Zeitschriften und Bücher in Deutschland und Skandinavien. Angefangen hatte seine Zeichnerkarriere in den 50er Jahren, in denen er in Chile Comics für die Zeitung „El Mercurio“ schuf, später zog er für einige Zeit nach Barcelona und arbeitete für spanische Zeitungen.

Seiner Hauptfigur Donald überdrüssig sei er dennoch nie geworden, sagte Vicar 2004 bei einem Empfang seines Verlages zum damals bevorstehenden 70. Geburtstag des legendären Erpels – der übrigens im selben Jahr das Licht der Welt erblickte wie sein späterer Zeichner. „Donald ist eine so vielseitige Persönlichkeit, dass es immer genug zu erzählen gibt.“ Er sei zwar am Ende der langen Arbeitstage in seinem Studio in Santiago de Chile manchmal erschöpft. „Aber gelangweilt habe ich mich noch nie.“ Und dann griff der ergraute Gentlemen zum Faserstift und skizzierte mit leicht zittriger Hand Donald samt Matrosenhemd, Bürzel und Schnabel für den Tagesspiegel-Reporter aufs Papier, inklusive eines für seinen Gesprächspartner hinzugefügten „Presse“- Schilds an Donalds Hut.

Vicar sah sich zeitlebens als Wahrer der Tradition, die von Disney-Altmeister Carl Barks geprägt worden war. „Es ist wichtig, dass Donald so wenig wie möglich verändert wird“, sagte er damals in Berlin. So habe er sich in gut 30 Jahren nur eine Abweichung von der traditionellen Szenerie erlaubt: „Ich zeichne heute mehr Autos in den Straßen als früher.“ Ansonsten sollte man Donald äußerlich sein hohes Alter nicht anmerken, fand Vicar: „Er ist unsterblich, damit unsere Kinder und Enkel über seine Geschichten genauso lachen können wie wir.“

Aus Sicht des Comic-Publizisten Andreas C. Knigge, der mehrere Standardwerke über das Medium geschrieben hat, gehörte der Chilene „einer neuen Zeichnergeneration“ an, die „bravourös in Barks’ Fußstapfen getreten“ war. Vicar und eine Handvoll anderer Zeichner haben dazu beigetragen, dass Donald Duck „zum Weltbürger geworden ist“. Barks selbst soll Vicar einmal als den besten Zeichner der Figur bezeichnet haben.

Behutsam modernisierte er das Personal der Geschichten aus Entenhausen, aber voller Respekt für die damit verbundenen Legenden. Auf die Frage, wann und wie angesichts der unterschiedlichen Angaben über dessen exakten Geburtstag, Donald Duck wirklich zur Welt kam, gab er eine sibyllinische Erklärung für die unklare Herkunft seines Helden: „Das Leben ist voller Geheimnisse“, sagte er damals mit verschwörerischem Grinsen. Donald lebe „in einem zeitlosen Zwischenstadium zwischen Himmel und Hölle“.

Als eine der besonderen Stärken Vicars galt seine Fähigkeit, „den Lesern vom ersten Bild an das Gefühl zu vermitteln, sie wären tatsächlich in Entenhausen“, würdigte ihn am Donnerstag sein Verlag. „Er war in der Lage, aus einem guten Skript einen fantastischen Comic zu machen und aus einem mittelmäßigen Skript einen wirklich guten Comic.“ Darüber hinaus sei er ein großartiger Erfinder von Nebencharakteren gewesen. Peter Höpfner, Chefredakteur Disney des Egmont- Ehapa-Verlages, sagte, mit Vicar sei sein persönlicher Lieblingszeichner gegangen. Der 1970 geborene Comicfan dürfte mit seinen Worten vielen Lesern seiner Generation aus dem Herzen gesprochen haben, die mit Vicars Geschichten aufwuchsen, ohne damals seinen Namen zu kennen: „Er hat meinen Donald und mein Entenhausen geprägt.“

Trotz seiner Leukämieerkrankung zeichnete Vicar auch in seinen letzten Lebensjahren weiter, Berichten zufolge selbst im Krankenbett im Hospital Dávila in Santiago de Chile. Bei jeder Einlieferung bat er um sein Zeichnerbrett und entwarf neue Szenen seiner Lieblingsfiguren.

 Lars von Törne

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