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Froschwanderung. Anzeichen für ein nahendes Erdbeben oder nur ein normales Naturphänomen?

© dpa

Erdbebenangst: Türken fürchten sich vor griechischen Fröschen

Eine ungewöhnlich große Krötenwanderung in Nordgriechenland ist zu einem Topthema in der Türkei geworden – denn das Naturphänomen deutet angeblich auf ein nahes Erdbeben hin.

Vielleicht geht es den Fröschen nur um besseres Futter. Aber das plötzliche Auftauchen von mehreren hunderttausend Tieren auf einer Überlandstraße im Norden Griechenlands hat in den Augen der Öffentlichkeit des Nachbarn Türkei etwas Bedrohliches: Die Froschwanderung könnte Vorbote eines schweren Erdbebens sein, wird befürchtet. "Frösche auf der Autobahn – Erdbeben im Anmarsch", titelte die türkische Zeitung "Aksam" nach der Entdeckung der Froschwanderung in der Nähe der nordgriechischen Stadt Langadas vor einigen Tagen. "Das Beben kommt", hieß es im Blatt "Takvim". In einer anderen Zeitung war von Furcht einflößenden Meldungen aus Griechenland die Rede. Möglicherweise, so wird gemutmaßt, fliehen die Tiere aus dem Gebiet eines kommenden Erdbebens in der Nähe der griechisch-türkischen Grenze oder in der Ägäis.

In Langadas selbst musste die griechische Verkehrspolizei die Straße wegen der Masse der Tiere vorübergehend sperren. Mehr als eine Million Frösche sollen unterwegs sein. Noch einige Tage lang muss auf der Überlandstraße mit Verkehrsbehinderungen gerechnet werden. Offenbar seien die Frösche von einem nahen See aus aufgebrochen, um sich anderswo Nahrung zu suchen, teilten die Behörden mit. Doch trifft diese nüchterne Begründung wirklich zu? Türkische Zeitungen verweisen auf neue Forschungsergebnisse aus Großbritannien, nach denen es einen Zusammenhang zwischen einem auffälligen Verhalten von Kröten und einem bevorstehenden schweren Erdbeben geben könnte.

In der Aprilausgabe der Fachzeitschrift "Journal of Zoology" hatte die Forscherin Rachel Grant von ihren Beobachtungen in der italienischen Region L’Aquila berichtet. Dort hätten Kröten plötzlich aufgehört, Nachwuchs zu produzieren – fünf Tage vor dem schweren Beben vom April vergangenen Jahres, bei dem mehr als 300 Menschen starben. Erst einige Tage nach dem Beben seien die Kröten wieder zur Tagesordnung übergegangen, schrieb Grant. Auch in der stark erdbebengefährdeten Türkei kursieren seit Jahren viele Berichte über ungewöhnliche Naturphänomene vor einem schweren Erdstoß. Nach dem Beben von 1999 im Nordwesten des Landes, bei dem rund 20.000 Menschen starben, tauchten Meldungen auf, Wölfe und Hunde seien unmittelbar vor dem Beben durch besonders unruhiges Verhalten aufgefallen. Einige Hunde sollen ihre Besitzer damals mitten in der Nacht aus ihren Häusern gezerrt und damit gerettet haben.

Wissenschaftlich Belastbares gibt es aber nicht

Nicht nur im Tierreich wird nach Vorboten der Katastrophe Ausschau gehalten. Vor der Sonnenfinsternis des Jahres 2006 warnten einige Fachleute in der Türkei vor einem schweren Beben. Schließlich hatte sich das Erdbeben von 1999 nur sechs Tage nach einer Sonnenfinsternis ereignet. In Zentralanatolien zogen einige Menschen vor vier Jahren in Erwartung des Erdstoßes deshalb vorsichtshalber von ihren Häusern in Zelte um. Aber das Unglück blieb aus. Ein plötzlicher Massenansturm von Fröschen wie in Langadas soll auch vor dem vernichteten Erdbeben in China vor zwei Jahren beobachtet worden sein, bei dem rund 90.000 Menschen starben. Doch Fachautorin Grant musste in ihrem Artikel über das rätselhafte Verhalten der Kröten von L’Aquila einräumen, sie wisse nicht, worauf die Tiere reagiert hätten. Möglicherweise träten vor einem Erdbeben Veränderungen in der Ionosphäre auf, die von den Kröten registriert würden.

Wissenschaftlich Belastbares über die angebliche Eigenschaft von Kröten und Fröschen als lebende Frühwarnsysteme für Erdbeben gibt es also nach wie vor nicht. Türkische Experten raten ihren Landsleuten, sich lieber um konkrete Vorkehrungen wie die Verstärkung von Wohnhäusern zu kümmern als um mysteriöse Phänomene im Tierreich. Erdbebenforscher gehen davon aus, dass die türkische Metropole Istanbul mit ihren mindestens zwölf Millionen Einwohnern irgendwann in den kommenden Jahrzehnten von einem schweren Beben heimgesucht werden wird – Frösche hin oder her. Dennoch unternehmen Behörden wie Bürger nach Meinung der Experten viel zu wenig, um sich auf den Ernstfall vorzubereiten.

Viele tausend Gebäude in der Riesenstadt, darunter Schulen und Krankenhäuser, sind so schlecht gebaut, dass sie einem starken Beben nicht standhalten würden. Dennoch wurden bisher erst wenige von ihnen verstärkt. Als Rettungswege markierte Straßen, die laut den Notfallplänen stets freigehalten werden müssen, damit im Notfall die Rettungsteams durchkommen, sind durch Falschparker meist so verengt, dass schon im Alltag ohne Erdbeben alles verstopft ist. Rund 70.000 Menschen könnten bei einem schweren Beben in Istanbul sterben, schätzen Forscher. Um das zu verhindern, müssten die Türken mehr tun, als auf Froschwanderungen in Nordgriechenland zu starren.

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