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Sie "Solar Impulse" im Sonnenaufgang

© AFP

Erfolgreicher Test: Solarflugzeug fliegt auch bei Nacht

Das Flugzeug des Abenteurers Piccard nutzt das Sonnenlicht zum Fliegen. Nun ist es eine Nacht lang ohne Sonne geflogen. Und der Schweizer will mehr.

Von Michael Schmidt

Bertrand Piccard ist ein Mann der Extreme. Ein Mann, der schon wiederholt bewiesen hat, dass das scheinbar Unmögliche durchaus möglich ist – wenn man es denn will. Und Piccard will. Der jüngste Coup des Psychiaters mit dem Hang zum ökologisch motivierten Abenteurertum: ein von der Sonne angetriebenes Flugzeug, das auch nachts fliegen kann – und, wenn’s geht, um die ganze Welt.

Diese ehrgeizige Vision soll 2012 Wirklichkeit werden. Einen wichtigen Meilenstein hat das Team um den 52-jährigen Schweizer nun geschafft: Der Prototyp „Solar Impulse HB-SIA“ ist eine Nacht lang geflogen, ohne Sonne zu tanken. Das Nachfolgeflugzeug „HB-SIB“ soll 2012 die Erde umrunden.

Piccard hat zusammen mit seinem Partner André Borschberg, ebenfalls Schweizer, und einem großen Team ein Flugzeug entwickelt, das groß wie ein Airbus-Düsenflieger, aber leicht wie ein Kleinwagen ist, nämlich rund 63 Meter breit, 22 Meter lang und 1600 Kilogramm schwer. Aber anstelle von 300 Menschen, die in einem Airbus 340 fliegen könnten, hat der Prototyp „HB-SIA“ lediglich Platz für einen Piloten im Cockpit. Dank der enormen Spannweite finden auf den Tragflächen exakt 11 628 Siliziumzellen Platz. Diese sammeln tagsüber das Sonnenlicht für die Elektromotoren. Für einen Nachtflug wird die Energie in vier Lithium-Polymer-Batterien gespeichert, die mit 400 Kilogramm insgesamt ein Viertel des Gewichts der „Solar Impulse“ ausmachen.

Um Gewicht zu sparen, bauten die Flugzeugbauer ein wabenartiges Gerüst aus extrem leichten Carbonfasern. „Das Flugzeug sieht abgesehen von der Größe recht konventionell aus, da wollten wir nicht etwas ganz Verrücktes erfinden“, sagte Borschberg im Vorfeld des Fluges. „Aber wir haben viele Materialien weiterentwickelt und neu geschaffen.“ Auf der geplanten, rund 20-tägigen Weltumrundung im Jahr 2012 wollen sich Piccard und Borschberg bei einigen Zwischenlandungen am Steuer der nächsten „Solar Impulse“ abwechseln. „Wir werden von West nach Ost und nördlich in der Nähe des Äquators fliegen“, erläuterte Borschberg, der das Projekt „Solar Impulse“ als Pilot und Ingenieur leitet und nun auch den durchgehenden Nachtflug absolvierte. Piccard ist der Visionär und Präsident des Unternehmens.

Bei ihren Flügen geht es Piccard und Borschberg weniger darum, einen Rekord aufzustellen, als die Menschen aufzurütteln, damit sie weniger Rohstoffe verbrauchen. Sie wollen „Botschafter der erneuerbaren Energien“ sein und zeigen: Man kann minimale Ressourcen einsetzen und trotzdem viel erreichen. Der Flug habe gezeigt, dass emissionsfreie Flüge möglich seien, erklärte das Team. Der Beweis sei erbracht, dass neue Technologien die Abhängigkeit der modernen Gesellschaft von fossilen Brennstoffen verringern könnten. Dass die Solartechnologie die konventionellen Flugzeugantriebe bald ersetzen werde, sei aber in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Neben den technischen Hürden gibt es bei Projekten dieser Art auch menschliche Grenzen zu überwinden: Mehr als drei bis fünf Tage am Stück kann ein Pilot nicht in dem 1,3 Kubikmeter großen Cockpit mit dem Komfort der Economy-Class verbringen. Der Sitz ist zugleich Toilette, Aufstehen wird nicht möglich sein, und an Schlaf ist kaum zu denken. Der Schlaf, beziehungsweise der Mangel an Schlaf, ist in der Langstreckenfliegerei ein altbekanntes Problem. Als Charles Lindbergh 1927 als erster Mensch den Atlantik allein überflog, musste er 33 Stunden lang ununterbrochen seine Maschine steuern und wach bleiben. Die Begleiterscheinungen der Zeitverschiebung beziehungsweise des Jetlags und der damit verbundenen Schlafstörungen machen auch den Piloten der heutigen Langstreckenjets zu schaffen. Nach zwei bis drei Tagen ohne Schlaf fängt der Mensch an zu halluzinieren. Piccard und Borschberg werden unter diesen Bedingungen einen Hochleistungsjob zu erledigen haben, der keinerlei Fehlleistungen erlaubt. Wie aber wollen sie diese Parforce-Tour durchhalten?

„Um Thrombosen zu vermeiden, entwickeln wir gerade spezielle Yoga-Übungen“, sagte Borschberg. Piccard wird Hypnosetechniken einsetzen und Borschberg meditieren, um so ausgeruht wie möglich zu sein. Hinzu kommen technische Hilfsmittel: Eine Spezialjacke mit integrierten Vibrationselementen, die mit den Navigationsinstrumenten des Fluggeräts verbunden sind, warnt oder weckt die Piloten, sobald die Maschine in eine abnormale Fluglage gerät.

Beide kennen sich mit unterschiedlichsten Flugzeugen aus. Borschberg war unter anderem Kampfjetflieger bei der Schweizer Luftwaffe, Piccard Europameister im Kunstflug. Auf ein mögliches Scheitern sind Borschberg und Piccard innerlich vorbereitet, nehmen Zweiflern aber die Luft aus den Segeln. Borschberg: „Wer es nicht versucht, ist schon gescheitert.“ mit dpa

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