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Erfurt: Zwölf Jahre Haft für Mord an Neugeborenen

Weil sie ihre zwei Babys getötet und die Leichen in einer Tiefkühltruhe versteckt hat, ist eine 35-Jährige zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Schauerlich ist ihre Begründung für die Tat.

Paul und Paula könnten heute drei- und fünfjährige Geschwister sein. Aber ihre Mutter gab den zwei Kindern keine Chance. Nach Ansicht des Landgerichts Erfurt hat die heute 35-jährige Claudia B. ihre zwei Babys gleich nach der Geburt getötet und in einer Kühltruhe versteckt. Weil sie glaubte, sie nicht ernähren zu können. Heute verurteilte sie das Landgericht deshalb zu zwölf Jahren Haft wegen Totschlags in zwei Fällen.

Weinend und mit gesenktem Kopf hatte die 35-Jährige das Verfahren gegen sich vor Gericht verfolgt. Unter einem Kapuzenpullover hielt sie ihr Gesicht vor den Kameras versteckt. Nach dem grausamen Fund der zwei tiefgefrorenen Babyleichen im April dieses Jahres in ihrer Erfurter Wohnung hatte sie dem Gericht einen Deal angeboten. Freiwillig wolle sie 14 Jahre ins Gefängnis gehen, wenn es dafür keinen öffentlichen Prozess gebe. Gleichzeitig hatte sie versucht, ihre Unschuld zu beteuern.

"Kinder sind kostspielig"

"Kinder sind kostspielig", hatte die 35-Jährige den Ermittlungsbeamten im Verhör gesagt. Bereits ihr fast volljähriger Sohn koste sehr viel Geld. Für dessen Besuch auf dem Erfurter Sportgymnasium investiere sie von ihrem geringen Gehalt sehr viel. Noch ein Kind könne sie sich deshalb nicht leisten.

Zweimal hatte sie bereits Schwangerschaften abgebrochen. Sie habe gewusst, dass Abbrüche auch finanzielle Konsequenzen haben können, die sie sich mit ihrem geringen Gehalt nicht leisten konnte oder wollte. Dennoch habe sie auch in Zukunft kaum verhütet.

Onmächtig während der Geburt?

Dem Vater von Paul und Paula hatte sie versichert, nicht mehr schwanger werden zu können. Daran habe er auch geglaubt, wie er vor Gericht als Zeuge betont. Von den Schwangerschaften seiner dominanten und selbstbewussten Lebensgefährtin habe er nichts bemerkt. Sie verschwieg und verbarg sie vor ihm und ihrem Umfeld. Weil er damals noch in Scheidung lebte, habe sie ihn nicht zusätzlich belasten wollen, begründet die Angeklagte ihre Entscheidung.

Als die Wehen einsetzten, sei sie ins Bad ihres kleinen Reihenhauses gegangen und Wasser eingelassen. Bei der Polizei sagt sie später, sie sei plötzlich ohnmächtig geworden. Beim Erwachen sei die kleine Paula bereis tot gewesen. Aus Angst und Panik habe sie das tote Mädchen in eine Decke gepackt und in den Keller gebracht. An ärztliche Hilfe habe sie nicht gedacht. Als sie später Verwesungsgeruch wahrnimmt, legt sie den Leichnam in den Gefrierschrank.

Umzug nach dem ersten Kindstod

Als es zur zweiten Schwangerschaft kommt, ist sie wieder Single. Die Angeklagte zieht um, weg aus ihrem Klettbacher Reihenhaus und in eine Wohnung in Erfurt. Das gefrorene Bündel mit Paula holt sie aus dem Gefrierschrank und nimmt es mit.

In einem gediegenen Wohnviertel im Süden Erfurts, neben Landtag und Umweltministerium, bringt sie dann ihr zweites Kind Paul zur Welt. Abermals lässt sie Wasser in die Badewanne ein, als die Wehen einsetzen. Abermals sei sie ohnmächtig geworden, behauptet sie. Als sie erwachte, habe das Kind regelungslos mit zerissener Nabelschnur im Badewannenwasser gelegen.

Gericht: Kinder kamen lebendig zur Welt

Das Gericht glaubt ihr nicht. Beide Kinder seien lebendig und gesund zur Welt gekommen. Sie habe mit Tötungsvorsatz gehandelt, in dem sie die Babys unversorgt in Plastiktüten gepackt habe. Paul sei laut Obduktion erst nach 30 Minuten gestorben.

Die Staatsanwaltschaft hatte auf Mord plädiert und eine lebenslange Haft gefordert. Das Gericht erkennt nur auf Totschlag. Das vorgeworfene Mordmerkmal "niedere Beweggründe" sei nicht nachweisbar, so die Richter. Vielmehr habe die Mutter aus einer "persönlichkeitsgeprägten Konfliktlage" heraus gehandelt. Claudia B. nimmt das Urteil hin, wie sie den ganzen Prozess verfolgt hatte. Wortlos, leise weinend und mit gesenktem Kopf.

Julia Hildebrandt, David Rollik

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