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Ermittlungen: Kampusch-Report zeigt schwere Versäumnisse

Jetzt ist es amtlich: Im Fall Natascha Kampusch hat eine unabhängige Kommission schwere Fehler der Polizei festgestellt.

Ein von einer unabhängigen Kommission verfasster Bericht über Ermittlungsfehler im Fall Natascha Kampusch hat schwere Versäumnisse der österreichischen Polizei bei der Untersuchung festgestellt. Wie aus dem Report, der inzwischen im Internet abgerufen werden kann, hervorgeht, betrifft dies insbesondere die erste Phase der Ermittlungen nach der Entführung 1998. Indirekte Kritik wird aber auch am Innenministerium in Wien geübt. Kampusch war 1998 auf dem Schulweg entführt worden und konnte erst achteinhalb Jahre später aus der Gewalt ihres Entführers entkommen.

Dem 50-seitigen Bericht zufolge wurden die am schwersten wiegenden Fehler in der Anfangsphase der Ermittlungen begangen. Danach hatten Polizisten bei einer Befragung des Entführers Wolfgang Priklopil nur einen Monat nach dem Kidnapping eine zu diesem Zeitpunkt vorliegende Personenbeschreibung des Täters nicht bei sich. Obwohl Priklopil, der sich nach Kampuschs Flucht umbrachte, kein Alibi hatte und über ein Auto verfügte, das genau dem bei der Entführung benutzten Wagen entsprach, wurde die Spur nicht weiter verfolgt.

Kampusch wäre nicht zu finden gewesen

"Hier liegt zweifellos ein Ermittlungsfehler vor", konstatiert der Bericht, den 24 unabhängige Experten unter Führung des Verfassungsrechtlers Ludwig Adamovich verfassten. Allerdings, so räumt das Dokument ein, wäre Kampusch bei einer Hausdurchsuchung "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gefunden" worden. Als "objektiv falsch" bezeichnet der Report Erklärungen des Leiters der Ermittlungen, der zwei Tage nach der Flucht der 18-jährigen Natascha Kampusch (2006) behauptet hatte, ihr Entführer habe seinerzeit ein Alibi gehabt.

Die Kommission kritisiert darüber hinaus, dass die Polizei Beweismittel, darunter Videokassetten, Tagebücher, Bekleidung und von Kampusch beschriebene Zettel, dem Opfer und seinen Anwälten aushändigte, ohne davon Kopien anzufertigen. Dazu hätten die Ermittler nach der Flucht Kampuschs bewusst darauf verzichtet, in Richtung "sexueller Kindesmissbrauch" bei dem Opfer zu recherchieren. Die Kommission kritisierte als rechtlich unzulässig, dass die Staatsanwaltschaft alle Niederschriften der Vernehmungen Kampuschs in einem Tresor verschloss und damit der Polizei vorenthielt. Die Kriminalpolizei hatte dies mit dem Schutz der Privatsphäre des Opfers begründet.

Deutliche, wenn auch indirekte Kritik übt Richter Adamovich auch am Wiener Innenministerium. Der frühere Kripochef Herwig Haidinger hatte dem inzwischen von der konservativen Volkspartei geführten Ministerium unterstellt, es habe Ermittlungsfehler zu vertuschen gesucht. Der Report bestätigt dies zwar nicht ausdrücklich, kritisiert jedoch, dass innerhalb der Polizei und des Ministeriums bei der Vergabe der Jobs persönliche Loyalität und die "Nahbeziehung zu einer bestimmten ideologischen Ausrichtung" ausschlaggebend gewesen seien. (mpr/dpa)

(Internet: http://www.bmi.gv.at/bmireader/documents/557.pdf)

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