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Panorama: Ernstfall Harry

Der Sohn von Charles und Diana feiert im Nazikostüm – aus britischem Humor wird ein Imageproblem

Etwa die Hälfte der Briten hielt es in einer Umfrage von Sky News am Donnerstag für einen harmlosen Spaß, 30 Prozent für eine schlimme Beleidigung – das offizielle Großbritannien steht Kopf: Prinz Harry, 20 Jahre alt und immerhin an dritter Stelle in der britischen Thronfolge, hat mit seinem Auftritt in einem Militärkostüm mit Hakenkreuzbinde auf einer Kostümparty wieder einmal für Trouble gesorgt – ausgerechnet zwei Wochen vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar, bei dem sein Onkel Edward die Briten würdig vertreten soll. Der Rat der britischen Juden kommentierte den Auftritt mit einem knappen „geschmacklos“. Der israelische Außenminister Silwan Schalom verurteilte den Auftritt des Prinzen im Nazi-Kostüm: So eine Verkleidung als Faschingsscherz lasse „die Nazizeit weniger schrecklich erscheinen, als sie wirklich war“, sagte er. Der israelische Staatspräsident Mosche Katzav habe mit einem erschrockenen „Oje!“ auf das Foto des verkleideten Prinzen reagiert, berichtete die israelische „Jerusalem Post“. „Schockierend und abstoßend“, sei Harrys Verhalten, meint Jeff Barak, Chefredakteur der „Jewish Chronicle“: „Es ist eine Beleidigung für alle Briten, die im Krieg unter großen Opfern gegen die Nazis gekämpft haben.“ Eilends ließ der Prinz durch das Pressebüro im Palast seines Vaters die formelle Entschuldigung verbreiten: „Es war eine schlechte Kostümwahl und ich entschuldige mich.“

Die „Sun“ rückte das Partyfoto am Donnerstag auf die Titelseite, dazu die Schlagzeile „Harry the Nazi“: Der schlanke, rotblonde Prinz in der Uniform des Wüstenkorps von Feldmarschall Rommel, mit roter Hakenkreuzbinde, in der linken Hand die Zigarette, rechts den Drink – so kennen Briten die Nazis aus dem Kino. Das Verkleidungsthema der Party lautete „Kolonialherren und Eingeborene“. Harrys Bruder Prinz William, von dem als zweitem Thronfolger und zukünftigem König mehr Vernunft erwartet wird, hatte sich selbst einen Löwen-Leoparden-Dress genäht – die klügere Wahl. Aber warum hat er seinen jüngeren Bruder nicht mit einem guten Ratschlag vor dem Skandal bewahrt? Das gehört für britische Monarchisten mit zu den besorgniserregenden Aspekten der Geschichte.

Harry, der im Geschichtsunterricht in Eton nie besonders gut aufgepasst haben soll und für kulturelle Feinheiten auch kein besonderes Talent zu haben scheint, ist das traurige Opfer einer britischen Angewohnheit in Sachen Humor geworden, nach der immer wieder zynischer Spaß mit der deutschen Nazi-Vergangenheit getrieben wird. Aber Dummheit schützt vor Strafe nicht – und offenbar erst recht nicht vor Peinlichkeiten.

Neuerliche Imagepflege wird das Harry-als-Nazi-Foto nicht so einfach aus der Welt schaffen. Die „Sun“ schmückte ihren Bericht mit längeren historischen Exkursen über die Verbindungen der Royals zu Nazi-Deutschland. Einige Kommentatoren meinen, Harry habe jetzt Jahre harter Arbeit der Royals zunichte gemacht, „sich von ihren deutschen Wurzeln zu distanzieren“. Viele sind überzeugt, dass es mit Harrys schriftlicher Entschuldigung nicht getan ist. „Er muss selbst ins Scheinwerferlicht treten und sich persönlich entschuldigen“, meint auch Dickie Arbiter, vor seiner Pensionierung lange Sprecher der Queen. Er attestiert Harry zusätzlich zur Geschmacklosigkeit noch Dummheit und Arroganz.

Er schlägt ein Rehabilitierungsprogramm vor: Harry sollte nach Auschwitz fahren. Charles, so Arbiter, sei 1993 dort gewesen und „tief bewegt und geschockt gewesen“. Auch das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles schlug das vor: „Wir empfehlen Prinz Harry sehr, die britische Delegation zu begleiten, die am 27. Januar Auschwitz besucht“, sagte der Vorsitzende des Zentrums, Rabbiner Marvien Hier. An dem Tag soll der 60. Jahrestag der Befreiung des Lagers durch die Sowjetarmee begangen werden. Andere Kommentatoren schlagen vor, Harry schnellstens nach Sandhurst zu schicken. Auf der renommierten britischen Offiziersakademie soll hartes Training doch noch einen nützlichen Menschen aus dem Prinzen machen. Eine Knieverletzung hatte bisher verhindert, dass er dort seinen Dienst antritt und mit dem harten Trainingskurs der ersten drei Monate beginnt. Doch jetzt stehen schon wieder neue Fragezeichen über Sandhurst. Ganz abgesehen davon, dass Harry mit seinen schlechten Zeugnissen eigentlich gar nicht die Voraussetzungen für eine Offizierskarriere erfüllt: „Der Prinz hat gezeigt, dass er nicht geeignet ist, in die britische Armee einzutreten", kommentierte der frühere Armeeminister Doug Henderson. Das Verteidigungsministerium beeilte sich, ihm zu widersprechen.

Nach Cannabisparties, Alkoholeskapaden und Paparazzi-Prügelei vor einem Nachtclub wird es eng für Harry, der ständig seinen Leibwächtern entwischt: Seine neue 19-jährige Freundin allein, die simbabwische Farmerstochter Chelsy Davy, wird sein Image nicht retten können.

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