zum Hauptinhalt
Der Vorzeigevater, der auch Übersetzer ist, bei einer Podiumsdiskussion.

©  imago

Erziehung: Polens "Superpapa" kommt aus Kiel

Ein deutscher Auswanderer wird in Polen zum Vater des Jahres gekürt. Die Katholische Kirche denunziert indes seine antiautoritäre Erziehung.

„Wenn ich meine Tochter anschreie, dann entschuldige ich mich danach“, sagt Sven Sellmer und schiebt nach, dass er nur ganz selten seine Nerven verliere. Der 41-jährige Deutsche wurde im Finale des polnischen Wettbewerbs „Papa des Jahres“am Freitag zum Sieger gekürt. Unter rund 20 000 Teilnehmern wurde ausgerechnet der Auswanderer aus Kiel mit seinen für polnische Verhältnisse liberalen Erziehungsmethoden als Preisträger gewählt. „Ich habe nicht den Eindruck, dass ich unter den Vätern eine Ausnahme bin“, sagt Sellmer bescheiden.

Zu dem Wettbewerb angemeldet hatte Sellmer seine neunjährige Tochter Maja. In der Schule hatte die gesamte Klasse beschlossen, alle Väter einfach bei dem erstmals landesweit ausgetragenen Wettbewerb anzumelden. „Liebe Papas, macht ja eine ernste Miene, denn es ist schön, Familienoberhaupt zu sein“, steht auf der Homepage der Raczynski-Grundschule in Poznan (deutsch: Posen). Sven Sellmer würde diesen Satz so nicht unterschreiben. „In unserer Familie streben wir eine partnerschaftliche Rollenteilung an.“ Die Hausarbeit teilt sich der Deutsche deshalb mit seiner polnischen Ehefrau, ebenso wie die Erziehung.

Vor sieben Jahren wanderte die junge Familie von Schleswig-Holstein nach Poznan in Zentralpolen aus. Sellmer fand an der dortigen Universität eine Anstellung als Indologe, seine Frau Izabella als Germanistin. „Mein Lehrauftrag in Kiel endete gerade, ich hatte Riesenglück“, erzählt Sellmer. Polnisch hatte er bereits in Deutschland gelernt, die Tochter war damals noch ganz klein. Bekannt war Sven Sellmer bisher einem kleinen Kreis als Übersetzer des polnischen Literaturnobelpreisträgers Czeslaw Milosz. Dazu hat der Doktor der Philosophie rund ein halbes Dutzend Bücher aus dem Polnischen, Englischen und Sanskrit übersetzt. Doch nun gehört er zu Polens „Superpapas“ und ist richtig berühmt.

Ihr Vater sage die Wahrheit, sei offen und einfühlsam, begründet Tochter Maja ihre Nominierung. „Seit frühster Kindheit liest er mir vor dem Schlafengehen vor“, schrieb sie für die Wettbewerbshomepage.

Was als kleiner Provinzspaß in Gorzow Wielkopolskie im Lebuser Land begann, hat sich in sechs Jahren zu einer von Regierung und Staatsfernsehen unterstützten Großveranstaltung entwickelt. „Wir wollen die Wertschätzung der Vaterrolle in der Gesellschaft fördern“, begründet dies Pater Bogulslaw Baranski, der den Wettbewerb 2006 aus der Taufe hob. Damals hatten sich nur sieben Teilnehmer gemeldet.

Wie der Protestant Sellmer mit seiner neunjährigen Tochter umgeht, wird von der polnischen katholischen Wochenzeitung „Niedziela“ („Sonntag“), einem Sponsor des Wettbewerbs, immer mal wieder verächtlich als „stressfreie Erziehung“ denunziert. Mangelnde Autorität würde Polens Kinder und Jugendliche demoralisieren, predigen Polens Geistliche von der Kanzel herab. Sellmer freute sich umso mehr über seine überraschende Wahl. „Ich strebe keine autoritäre Vaterrolle an“, sagt er ganz klar. Allerdings müsste auch er seiner Tochter Grenzen setzen. „Erziehung darf nicht auf Beliebigkeit beruhen“, sagt Sellmer. Bei seinen polnischen Nachbarn hat er einen Hang zu altmodischeren Erziehungsmethoden ausgemacht. Allerdings ändere sich das nun auch in Polen, erzählt er. „Unter den jüngeren Vätern, als ich es bin, ist der Unterschied nur noch graduell“, sagt Sellmer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false