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Panorama: Es wird Nacht – Merlin Bronques kommt

Der New Yorker Partyfotograf darf bei keinem Event fehlen – alle wollen sie von ihm abgelichtet werden

Der Abend senkt sich früh über die Stadt im Dezember, und im Platten-Mega-Store am Union Square in Manhattan bringen sich die Leute in Stimmung für das, was da noch kommen mag. Der Mann, der das angrenzende Café betritt, trägt eine schulterlange Parücke aus glänzend schwarzem Plastikhaar und eine übergroße Brille mit Fensterglas, der Stil aus den 70ern. Nur wer genau hinseht, entdeckt die kleine Kameratasche, die über seiner Schulter hängt. In dem New Yorker Abendmix aus jungen Hipstern und ganz gewöhnlichen Touristen bleibt er unbeachtet. Noch – seine Zeit kommt später.

Merlin Bronques würde so früh kaum aus dem Haus gehen, wäre es nicht für ein Interview. Seine Arbeitszeit beginnt, wenn sich die Atmosphäre in den Clubs der Stadt aufgeheizt hat zu einem Punkt, da Hemmungen und Hüllen fallen. Dann schlägt der Fotograf zu. Nicht als Paparazzo, der ein schnelles Bild stiehlt von einer verfänglichen Szene, sondern als einer von ihnen. Bronques, wie ihn alle nennen, ist da, wo die besten Partys steigen. Oder steigen die besten Partys mittlerweile immer da, wo Bronques ist?

„Als ich vor einem Jahr meine Webseite ,www.lastnightsparty.com‘ gegründet habe, ging alles ganz schnell“, erinnert er sich, „nach zwei Wochen kannte mich jeder, und für die Weihnachtspartys haben mich die Clubbesitzer schon bezahlt, damit ich Bilder mache.“ Seitdem ist er so etwas wie ein Celebrity in der Stadt. Eventagenturen rufen an, wenn sie Bilder brauchen jenseits der offiziellen Bilddokumentation, wie sie die großen Agenturen wie WireImage oder Patrick McMullan betreiben. Magazine melden sich mit Aufträgen, wenn sie etwas aus der Partyszene brauchen. Bronques kriegt sie alle rum, alle lassen sie sich von ihm fotografieren, tanzend schmusend, lachend, schminkend oder einfach nur gelangweilt rumstehend.

„Was ich will, ist die großartige Zeit dokumentieren, in der wir leben. Und die ist wirklich großartig.“ Begonnen hat es als Multi-Media-Projekt. Als Bronques, der in Brooklyn geboren wurde und in Kanada aufwuchs, vor sechs Jahren zurück in die Stadt kam, wollte er sie eigentlich mit seiner Band erobern. Doch die Welt war nicht reif für einen Leadsänger, der zu seinen eigenen Fotografien tanzte.

Also verlegte sich Bronques aufs Bildermachen. Als ihm dann ein Freund zeigte, wie einfach die Ausbeute der vergangenen Nacht in eine Galerie umzuwandeln und im Internet zu veröffentlichen ist, klickte es bei Bronques: „Mein Hirn fing sofort an zu rattern, tausend Ideen blitzten auf, was sich damit alles machen ließe.“ Für den schnellen Erfolg von „lastnightsparty“ nennt er zwei Faktoren: Erstens ist er schneller als die anderen, und zweitens kennt er die besseren Partys. „Es hängt davon ab, wie betrunken ich bin. Aber wenn die Leute morgens zur Arbeit kommen, sind die Bilder garantiert schon im Web.“ Für Retusche oder Farbkorrekturen bleibt da keine Zeit, Bronques hat das zum Prinzip erhoben: „Ich will nur das nackte Leben zeigen, so wie ich es sehe. Und die Leute wissen das. Als ich neulich Madonna fotografierte, sagte sie: Oh, die sieht ja wirklich gut aus.“

Mehr als 20 000 Besucher sehen sich täglich seine Webseite an, Partygänger, um ihre Erinnerungen aufzufrischen und ihren kleinen Ruhm zu genießen. Trendscouts, um die allerjüngste Mode in New York zu erkunden, Werbeagenturen, um neue Gesichter zu finden. Die „New York Times“ spekulierte kürzlich gar, Bronques entwickle sich zum Nachfolger des legendären Studio-54-Fotografen Patrick McMullan. „Das müssen andere entscheiden“, sagt Bronques, „und eigentlich sehe ich mich gar nicht als professionellen Fotografen. Welche Blende, welche Verschlusszeit? Interessiert mich nicht. Ich weiß gerade genug, um zu bekommen, was ich will.“ Und das ist das Leben pur oder, wie er es nennt: „Rock’n’Roll, das, was deine Eltern nicht verstehen.“

„Eine Party im Senegal zu dokumentieren, das wäre cool. Und neulich habe ich eine Einladung in die Antarktis bekommen. Bevor ich da war, höre ich nicht auf.“

Fotos von Merlin Bronques unter:

www.lastnightsparty.com

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