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Immer mit Mütze. Roman Lob, 21, gewann die Castingshow "Unser Star für Baku" und tritt für Deutschland an. Ihm wird beim Song Contest höchstens ein zehnter Platz zugetraut. Und wer sind die Favoriten? Eine Bildergalerie mit allen Kandidaten des europäischen Gesangswettbewerbs - und einigen, die es nicht geschafft haben.

© dapd

ESC-Kandidat Roman Lob: Keiner von einem anderen Stern

Der deutsche Kandidat im Eurovision Song Contest ist niedlich, nett und kann sogar singen. Eine männliche Lena wird aus Roman Lob trotzdem nicht. Ihm fehlt der Pep des Mädchens aus Hannover.

Lena, Lena, immer wieder Lena. Kein Auftritt, kein Interview, kein Vorbericht, in dem nicht dieser Name fällt. Wird er so gut sein wie Lena? Kann das überhaupt jemand? Und dann auch noch so einer wie er?

Der junge Mann, der am Samstag das Meyer-Landrut-Erbe antreten soll, lächelt, ein wenig schüchtern aber nicht ohne Selbstbewusstsein in eine der unzähligen Kameras, die sich dieser Tage auf ihn richten. Lena Meyer-Landrut, sagt er, sei ein „Phänomen“, eine „coole Sau“. Diese freche junge Frau, die vor zwei Jahren den Eurovision Song Contest gewonnen hat, dann einfach nochmal antrat und in Düsseldorf einen respektablen zehnten Platz belegte, sie macht ihm angeblich keine Angst. Lena sei schließlich der Grund, warum er sich bei der Castingshow „Unser Star für Baku“ beworben habe.

Aber genauso ist sie das Problem für Roman Lob, 21 Jahre, Industriemechaniker aus Neustadt in der Pfalz. Besondere Merkmale: Knopfaugen und Knopfohrringe, Ein- bis Zwei-Tage-Bart. Häufig zu sehen mit: Holzfällerhemd, Mütze und Thomas D., dem Jurypräsidenten im Dienste des Grandprix-Großmeisters Stefan Raab in der Sendung „Unser Star für Baku“, die Lob in diesem Jahr gewonnen hat. „Der neue Lena“ nannte ihn die „tageszeitung“, und fasst darin das Wunschdenken so vieler zusammen: Lena, das war wie der EM-Titel im Singen, das war pralle Lebensfreude gepaart mit zartem Nationalstolz. Mit ihrem schlagfertigen Charme zauberte „Lovely Lena“ ein Lächeln auf die Lippen Europas und flirtete mit den Kameras, als habe sie, damals 19-jährig, nie etwas anderes getan.

Roman Lob hat nichts von all dem. Zwar hat der Mechaniker das Casting ähnlich überlegen gewonnen wie damals die Schülerin. Er sieht auch ganz gut aus, irgendwie niedlich mit seinen braunen Knopfaugen, wie der nette Junge von nebenan. Er trifft die Töne, hat eine gute Stimme, die im Kopf bleibt. Und Jazzphänomen Jamie Cullum hat sogar das Lied für Baku geschrieben. Eigentlich ist Roman Lob prima geeignet für den Job, den er zu erfüllen hat. Aber das ist auch schon alles.

Es geht schon mit den Umfragen los. Lena wurde in Oslo von Beginn an als Favoritin gehandelt, Lob bekommt von fast allen Beobachtern das Etikett „chancenlos“ verpasst. Sie sehen ihn weit hinter den wechselnden Favoriten aus Schweden, Italien, Russland, Albanien oder England. Während Lenas Siegersong „Satellite“ direkt nach ihrem Castingerfolg zur Nummer eins in Deutschland wurde, schaffte es Lobs „Standing Still“ lediglich auf Platz drei und rutschte auch schnell wieder ab in Richtung Bedeutungslosigkeit. Sein Album „Changes“ stieg Mitte April auf Platz neun der Albumcharts ein und wird seitdem nach hinten durchgereicht.

So war der Eurovision Song Contest im vergangenen Jahr:

Roman Lob ist die personifizierte Durchschnittlichkeit. Er sagt Sätze wie: „Man muss freundlich sein zu den Leuten, denn sie sind ja auch freundlich zu einem selbst.“ Nett ist das, aber auch ziemlich langweilig.

In der Schule fiel er, so Lob über Lob, nie besonders auf, spielte Schlagzeug und Klavier und entdeckte seine Stimme eher durch Zufall. Seinen ersten musikalischen Auftritt hatte er mit 13, drei Jahre später brachte er es bei Dieter Bohlens „Deutschland sucht den Superstar“, unter die letzten 20, musste aber wegen einer Kehlkopfentzündung aufhören. Das Angebot, in der nächsten Staffel anzutreten, lehnte er ab und bevorzugte den sicheren Weg mit Schulabschluss und Ausbildung. Auf das Abenteuer Baku lässt er sich nach eigener Angabe auch deswegen ohne Vorbehalte ein, weil sein Arbeitgeber ihm eine Rückkehrgarantie gab. Für Roman Lob scheint der Job als Industriemechaniker eine echte Option zu sein, falls der Songcontest für ihn zur Blamage wird. „Dann weiß ich, was ich kann“, sagt er.

Kann so viel Bodenständigkeit 120 Millionen europäische Fernsehzuschauer begeistern? Beim Grandprix weiß man nie. Lena durchbrach mit ihrer puristischen Performance alle angeblichen Konventionen von Balkan-Connection bis Dancefloor-Pflicht. Reihenweise landen bei der Telefonabstimmung immer wieder Kandidaten ganz vorn, die in den Prognosen niemand auf dem Zettel hatte. Wenn Europa abstimmt, kann alles passieren. Zumindest die späte Startnummer, die 20, spielt für ihn: Man sagt, die Zuschauer erinnerten sich dann besser – Lena hatte vor zwei Jahren die 22.

Und weil es damals so gut funktioniert hat, versucht Roman Lob so zu bleiben wie Lena. Mit großen Augen rennt er durch die Weltkulturerbe-Altstadt von Baku und erzählt, dass seine weiteste Reise bislang nach Italien ging. Er versucht die richtige Mischung zwischen Kritik und Normalität in seinen Aussagen zur Menschenrechtslage vor Ort zu finden. Er albert mit aserbaidschanischen Hüten herum und plaudert über seine Schwäche für außergewöhnliche Kopfbedeckungen. Das liege daran, dass bei ihm eigentlich immer „bad hair day“ ist. Seine Haare sitzen nie, so wie er es gern hätte. So stellt er gleich noch unter Beweis, dass er vor der Abreise noch ein wenig Englisch gelernt hat.

Und wie Lena will auch er sich beim Song Contest allein auf sich und seine Stimme verlassen: ein Auftritt ohne Pyrotechnik und große Show. In Jeans, T-Shirt und natürlich mit Mütze, wird er versuchen, die riesige Bühne der neugebauten Kristallhalle zu füllen. „Never fearful, always hopeful“, hat er sich vor einigen Jahren auf die Brust tätowieren lassen, gleich neben einem Mikrofon: niemals ängstlich, immer hoffnungsvoll.

Was, wenn sich seine Hoffnung erfüllt, was wenn er gewinnt? Eine Flasche Kräuterlikör, will er dann trinken. Wahrscheinlich mit Lena.

Die ARD überträgt das ESC-Finale am Samstag live ab 21 Uhr.

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