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Edelitaliener: Dinner für Duffy

Fertigmenüs für Hunde lesen sich manchmal wie die Speisekarte eines Edelitalieners. Und wie werden sie goutiert? Ein Report.

Von Andreas Austilat

Eigentlich wollte ich nie einen Hund. Ich bin mal als Kind von einem gebissen worden. Dass wir dann plötzlich einen hatten, war nicht meine Entscheidung. Die haben meine Frau und unsere Tochter allein getroffen, als sie im Tierheim Duffy sahen. Ausgerechnet in diesem Moment hatte ich mein Handy abgeschaltet.

Abends sah ich ihn das erste Mal, er kam mit wehenden Ohren auf mich zugerannt. Ich glaube, ich bin noch nie so freudig begrüßt worden. Hunde sind sehr gut darin, sich einzuschmeicheln. In der israelischen Ausgrabungsstätte Ein Mallaha haben Archäologen ein 10 000 Jahre altes Grab gefunden, darin das Skelett eines älteren Mannes und neben ihm die Überreste eines Hundes. Die Hand des Mannes lag auf dem Körper des Tieres. Ja, der Hund hat es weit gebracht: vom Wolf zum besten Freund des Menschen.

Pferde führen heute nur noch ein Randdasein, betüttelt von ein paar weiblichen Teenagern. Hühner, Schweine und Rinder vegetieren in überfüllten Ställen, sind zu Opfern einer industriellen Lebensmittelproduktion degradiert. Der Hund hat es sich derweil mit treuen Augen auf dem Sofa bequem gemacht. Er wird umsorgt. Rund eine Milliarde Euro geben die Deutschen im Jahr allein für das Futter der 5,5 Millionen Hunde hierzulande aus. Dafür ist auch jeder vierte von ihnen zu dick.

Über 10 000 Jahre kam der Hund gut damit zurecht, dass er sich von Abfällen ernährte. Die bekommt er heute noch, schreibt der Lebensmittelkritiker Hans-Ulrich Grimm in „Katzen würden Mäuse kaufen“, seinem „Schwarzbuch Tierfutter“. Nur würden diese Abfälle nun mit hübschen Etiketten versehen, und Herrchen zahlt viel Geld dafür.

Hundefutter besteht meist aus Schlachtabfällen. Hinter der Etikett-Aufschrift „Fleisch und tierische Nebenprodukte“ kann sich alles verbergen, vom herzhaften Herz bis zum gehäckselten Hühnerknorpel. Im schlimmsten Fall hat der Inhalt mit Fleisch nichts mehr zu tun. Das Truthahn-Ragout „Gut und Günstig“ zum Beispiel enthält laut Deklaration mindestens vier Prozent Truthahn und vier Prozent Lamm, dazu vier Prozent Erbsen und Karotten. Woraus mag der Rest bestehen? Was ist mit Aromen, Farbstoffen oder Konservierungsmitteln? Die müssen bei Tierfutter nicht deklariert werden.

Der Hund isst ganz gerne mal was Ekliges. Wenn man Duffy beispielsweise einen Knochen reicht, dann vergräbt er den, findet ihn erst mal nicht wieder, und wenn doch, dann ist er nicht ansehnlicher geworden. Aber das heißt noch lange nicht, dass ihm jedes Knochenmehl zweifelhafter Herkunft bekommen muss, das Futterpanscher in die Dose mixen.

Der Hund von heute leidet an Diabetes, ihm fallen allergiebedingt die Haare aus, die Bandscheibe zwickt, angeblich jeder zweite stirbt an Krebs. Hans-Ulrich Grimm stellt in seinem Schwarzbuch fest, der Hund leide an den gleichen Gebrechen wie sein fehlernährtes Herrchen: Womöglich essen beide zu viel vom Falschen. Was aber ist das Richtige?

Duffy ist jetzt drei Jahre alt, wiegt sieben Kilo, hat seit seinem Einzug bei uns kaum zugenommen, und zieht man an seinen Haaren, dann sitzen die fest. Noch.

Duffy kriegt oft Trockenfutter. Häufig von der Marke „Select Gold“ von Fressnapf, einem Discounter mit über 1000 Geschäften in Europa. „Select Gold“ hat mal vor Jahren beim bislang einzigen Hundefuttertest der Stiftung Warentest den Spitzenplatz belegt. Trockenfutter boomt, es ist leicht zu lagern, der Napf leicht zu reinigen, eine saubere Sache.

Doch Trockenfutter hat auch erbitterte Gegner. Die Stiftung Warentest hatte 2006 acht der 30 Futter im Test mit mangelhaft bewertet, weil sie entgegen der Deklaration als Alleinfutter zumindest für Welpen nicht geeignet waren. Andere Kritiker bemängeln, dass der Getreideanteil oft zu hoch, die Ballaststoffbombe einfach nicht artgerecht sei. Vor allem aber könne der Hund gar nicht so viel trinken, wie er nach einer Trockenfutter-Mahlzeit müsste. Stimmt das, habe ich den Professor Klaus Männer, Experte für Tierernährung an der Freien Universität Berlin, gefragt? Nein, hat er geantwortet.

Und was meint Duffy? Der braucht manchmal den halben Tag für sein Trockenfutter, trägt die Pellets von links nach rechts, kaut angestrengt. Das soll gut für die Zähne sein. Aber Appetit sieht anders aus.

Anruf bei Birgitta Ornau. Die Münchnerin stellt seit fünf Jahren ihr eigenes Hundefutter her: „Terra Canis“. Die 33-Jährige, die von sich sagt, dass nicht alles Bio sein müsse, was sie selbst verzehrt, hatte damals einen Hund aus einem spanischen Tierheim aufgenommen. Der wollte nicht fressen, und sie fragte sich, was sie ihm da eigentlich vorsetzt. Denn „wenn ich ein Tier halte, habe ich die Verantwortung , es artgerecht zu ernähren“.

Birgitta Ornau wirbt mit der hundertprozentigen Lebensmittelqualität aller Rohstoffe in ihren Dosen. Tatsächlich verarbeitet ihr ein Münchner Metzger das Fleisch, hundert Prozent natürlich, kein Tiermehl, keine synthetischen Zusatzstoffe. Hat sie selbst schon davon probiert? Selbstverständlich.

„Hausmannskost für Hunde“ steht auf der Dose, es gibt 17 Menüs, darunter „Kaninchen mit Zucchini und Bärlauch“ oder „Huhn auf Tomaten und Basilikum“. Wie kommt es eigentlich, dass sich die Etiketten – und zwar nicht nur bei ihr – immer so lesen, als ob sie für den Menschen gemacht würden? Wahrscheinlich, weil nicht der Hund die Dose kauft. Birgitta Ornau versichert, ihre Kompositionen wirkten nur so vertraut, weil alle Zutaten vom Lebensmittelmarkt kämen. Außerdem sei der Hund kein reiner Carnivore, er brauche viel mehr als nur Fleisch. Schließlich würde selbst der Wolf Kräuter oder Beeren nicht verschmähen.

Der Versuch: Duffy bekommt eine 200-Gramm-Dose „Terra Canis“ mit Lamm, Zucchini, Hirse und Dill für 1,80 Euro. Riecht appetitlich. Er braucht für die halbe Portion nur zwei Minuten, leckt den Napf sauber und guckt. Keine Frage: Er will mehr.

Ist es ethisch überhaupt zu vertreten, Hundefutter in Metzgerqualität anzubieten, wenn es Schlachtabfälle vielleicht auch tun würden? Man müsse doch auch sehen, dass viele Hunde heute vielleicht nicht mehr ihre ursprüngliche, dafür aber eine soziale Aufgabe erfüllten, indem sie etwa Menschen vor der Einsamkeit bewahrten, sagt Birgitta Ornau. Und fügt hinzu: „Ich glaube nicht, dass den Armen dadurch geholfen würde, wenn ich diese Hunde schlecht ernähre.“

1,80 Euro für die 200 Gramm ist nicht billig. Aber Birgitta Ornau ist erfolgreich mit ihrer Hunde-Hausmannskost. Vor fünf Jahren hat sie noch 10 000 Dosen in ihrem Studentenapartment selbst etikettiert und ausgefahren. Heute liegt ihr Jahresumsatz bei zwei Millionen Dosen.

Der Heimtierbranche geht es gut, selbst im Krisenjahr 2009 hat sie um drei Prozent zugelegt und trägt nicht nur Riesen wie Mars, Hersteller von Schokoriegeln, aber auch Chappi und Cesar, sondern auch unzählige Garagenfirmen. Viele haben sich das Wohl des Hundes auf die Dose geschrieben. Vertrieben werden sie nicht über Ketten wie Fressnapf, sondern über Geschäfte, die schon eher Boutiquencharakter haben und unterschiedliche Szenen bedienen, wie der „Hauptstadthund“ in der Hufelandstraße in Prenzlauer Berg, die „Cefat“-Geschäfte, die sich der Gesellschaft für artgerechte Tiernahrung verbunden fühlen, oder „Ally und Dotty“ in der Pariser Straße in Wilmersdorf.

Dort steht Dagmar Liepe hinter dem Tresen. Sie verkauft ausschließlich Futter solcher Hersteller, die artgerechte und gesunde Nahrung für sich in Anspruch nehmen. Und verblüfft den Kunden daneben mit Trüffelpralinen an Blattgold. Das sei doch mehr für den Showeffekt, sagt sie wie zur Entschuldigung. Sehr gut gingen aber die Fleischstreifen nach Bündner Art, die Pfälzer Leberwurstkekse, die Polenta-Pralinen oder der Hundekuchen in Form des Fernsehturms, den backt die einstige Friseurmeisterin übrigens selbst.

Duffy kriegt den Fernsehturm-Keks sowie das Trockenfutter „Belcando Finest Croc“, der Hersteller wirbt mit „Wellness für Dogs“. Der Fernsehturm, obwohl fleischfrei, ist im Nu weg. Für die Belcando-Pellets braucht er sechs Minuten, das hat er bei Trockenfutter noch nie geschafft. Dafür liegt die Dose Pansen, ebenfalls von Belcando, etwas länger – obwohl Hunde Pansen angeblich lieben und der Inhalt recht authentisch nach Tier riecht.

Neuer Trend unter Hundefreunden ist das „Barfen“. Barf steht für „biologisch artgerechtes rohes Futter“ und basiert im Wesentlichen auf rohem Fleisch und Knochen. Aber vielleicht stammt Duffy gar nicht vom Wolf ab? Er kriegt einen Pfälzer Leberwurstkeks. Aber nur einen.

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