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Essen & Trinken: Mein kulinarisches ABC (3)

Thomas Struck leitet die Reihe „Kulinarisches Kino“ der Berlinale. Er schaut mit cineastischem Blick aufs Essen und Trinken. Von „Harry und Sally“ bis „Tampopo“.

ADRIA, FERRAN

Seit der katalanische Koch am 30. Juli 2011 sein Restaurant „Bulli“ schloss, arbeitet er an der „Bullipedia“ (bullipedia.net), die ein Zentrum der kulinarischen Innovation und des gastronomischen Wissens werden soll.

BUNUEL, LUIS

„Der diskrete Charme der Bourgeoisie“ des Spaniers ist ein Meisterwerk des kulinarischen Kinos (Teil der Buñuel-DVD-Kollektion bei „Arthaus Close-Up“ für 11,99 Euro), in dem die Protagonisten durch Umstände wie Armeemanöver oder Geilheit nicht zum Essen kommen. Das Einzige, was geschluckt wird, ist ein Dry Martini Cocktail, dessen Zubereitung für Buñuel eine ernste Sache war: Der Wermut Noilly Prat sollte das Glas nur so berühren wie der Heilige Geist die Jungfrau Maria bei der unbefleckten Empfängnis.

CHRISTOPH KOLUMBUS

Kartoffeln, Tomaten, Mais und vieles mehr wurden auf dem von Kolumbus entdeckten Seeweg aus Amerika nach Europa gebracht. Für diese köstliche Bereicherung revanchierten sich die Europäer mit Genozid und Ausbeutung.

DEMETER

Die Göttin Demeter kümmert sich um Fruchtbarkeit und Jahreszeiten, sie lebt sowohl in der Unterwelt als auch auf der Erde. Demeters Interesse an saisonalen Produkten veranlasste Anthroposophen in den 1920er Jahren, ihren Namen als Gütesiegel für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu verwenden. Auch wenn die Unterwelt in Gestalt der Agrarindustrie Anstrengungen unternimmt, Bio-Produkte zu vertilgen, gelingt es der Göttin der Erde (noch) zu überleben.

EPHRON, NORA

Die Autorin und Regisseurin schrieb in „When Harry Met Sally“ für Meg Ryan die unvergessliche Szene des vorgetäuschten Orgasmus in einem Restaurant. In „Julie and Julia“ mit Meryl Streep erzählt Ephron, wie die Kochshow von Julia Child in den 1950er Jahren die amerikanische Küche revolutionierte.

FRANKENSTEIN, VICTOR

Mary Shelleys Romanfigur erschuf aus diversen Körperteilen einen Menschen, der zum Monster mutierte. Seit seinem ersten Erscheinen 1823 kehrt er in zahlreichen Büchern und Filmen zurück. Die letzte ihm zugeschriebene Kreation ist „Frankenstein Food“ oder „Franken-Food“ – es geht um die Gentechnologie, bei der Erbanlagen verschiedener Arten zusammengefügt werden und unberechenbare Lebewesen entstehen.

GAILLARD, SLIM

Wer abnehmen möchte, kann Slims Rezepte für Potato Chips, Matzo Balls, Gefilte Fish oder Chicken Rhythm ausprobieren. Man findet sie bei Google oder You Tube unter Slim Gaillard, der ein super Food- und Swingmusiker war.

HOFFMANN, MICHAEL

„Gemüse ist eine größere kulinarische Herausforderung als Fleisch oder Fisch“, sagt der Koch. Im eigenen Garten zieht er das Gemüse, welches er im Restaurant Margaux zubereitet. Hoffmann wird am 12. Februar um 17 Uhr im Spiegelzelt des Kulinarischen Kinos über seine Erfahrungen sprechen.

ITAMI, JUZO

„Tampopo“ des japanischen Regisseurs handelt von der Suche nach der besten Nudelsuppe. Laut „Washington Post“ ist es „der witzigste Film aller Zeiten über die Verbindung von Essen und Sex“. Die Szene mit dem Ei ist leicht nachzustellen, vorausgesetzt man hat einen Partner und ein Eigelb (siehe Illustration).

JOHNSON, HUGH

Im Bonustrack meiner Doku „Ein Weinjahr“ enthüllt der Weinkritiker sein Bewertungssystem: „Die unterste Stufe ist ein Schniefer, das heißt, man wollte noch nicht mal nippen ... Der Eine-Flasche-Wein gibt Befriedigung, aber er ist nicht allzu aufregend. Der Zwei-Flaschen-Wein ist ein Volltreffer ... Eine-Kiste-Wein bedeutet, man will sich die Versorgung mit diesem Wein sichern. Dann der Zwei-Kisten-Wein, der Fünf-Kisten-Wein ...“ Oberste Wertung: „Man kauft den ganzen Weinberg.“

KUBELKA, PETER

Der avantgardistische Filmemacher sprach von der „Erschleckung der Welt“. Am Anfang der menschlichen Erkenntnis steht der Mund.

LEMKE, HARALD

Er kocht, gärtnert, publiziert Texte und Bücher, zuletzt „Politik des Essens“ (Transcript Verlag). Gern diskutiert Lemke mit allen, die glauben, Essen sei keine weltverändernde Macht. Dafür bietet etwa die Tea Time des Kulinarischen Kinos mit Slow-Food-Gründer Carlo Petrini Gelegenheit (13.2., 17 Uhr).

McCARTNEY, PAUL

Der Beatle ist begeisterter Vegetarier und gründete die Kampagne „Meat Free Monday“, von der man in Frankreich nichts wissen will. An den Schulen dort muss Fleisch oder Fisch serviert werden. Allons enfants ... all you need is love.

NETTELBECK, SANDRA

„Bella Martha“ ist der einzige deutsche Film, in dem ernsthaft gekocht wird, was zu Dramen führt, die als Lustspiele enden. In Nettelbecks jüngstem Film „Mr. Morgan’s Last Love“ mit Michael Caine wird mehr getanzt als gekocht.

OLIVER, JAMIE

Er hat den Mythos, dass die englische Küche gruselig ist, für immer zerstört – und bewiesen, dass es schneller geht, eine Pizza zu backen, als auf den Pizza Service zu warten.

PIGOTT, STUART

Der trinkende Autor mit den großen Karos ist viel unterwegs. Man fragt sich, wo er noch nicht war – und wo seine Heimat ist. Die Geburtsstadt London oder das Lhasa des Weins, Bernkastel, oder sein Wohnort Berlin? „Meine Heimat ist der deutsche Weißwein“, sagte Stuart Pigott in meinem Rheinfilm.

QUAN’AN WANG

Der Chinese gewann nicht nur den goldenen Bären für „Tuyas Hochzeit“, sondern 2010 auch den silbernen für „Apart Together“. Darin kämpfen zwei Männer um eine Frau, indem sie sich mit Gastmählern überbieten.

RAUE, TIM

Der Koch reist seit Jahren nach Asien und bringt üppige Aromen zurück nach Berlin (Adresse seines Restaurants: Rudi-Dutschke-Straße 26). „Mein Essen ist genau wie das Autorenkino für Leute gemacht, die über den nötigen Intellekt verfügen und Interesse am Essen haben, das nicht Mainstream ist“, sagte er mal.

SCHLOSSER, ERIC

Sein epochemachendes Buch „Fast Food Nation“ (auf Deutsch erschienen bei Riemann unter dem Titel „Fast Food Gesellschaft“) lieferte die Grundlage für den Dokumentarfilm „Food, Inc.“.

TUCCI, STANLEY

„Big Night“ von 1996 ist einer der witzigsten Filme über Kochen und Essen. Zwei Brüder (Stanley Tucci, Tony Shalhoub) setzen auf das Dinner einer Nacht, um die Pleite ihres Restaurants abzuwenden. „Gutes Essen bringt dich Gott nahe“, heißt es am Ende des Films.

USTINOV, PETER

Der Komödiant machte die süße Bemerkung, dass die Umkehrung von „Stressed“ „Desserts“ ist.

VOGELZANG, MARIJE

Die bildende Künstlerin arbeitet in Amsterdam und benutzt ein Material, das wie kein anderes dem Menschen nahe kommt: Food. „Du steckst meine Designs in deinen Körper“, schreibt sie. Ihre Geschichten, Zeichnungen, Fotos und Collagen sind in dem appetitlichen Buch „Eat Love“ (Bis Publishers) veröffentlicht.

WATERS, ALICE

1971 gründet sie in Berkeley das Restaurant „Chez Panisse“. Es ist bis heute eine Art gehobene Volxküche mit französischen Rezepten und lokalen Produkten (chezpanisse.com). 1990 konzipierte Waters gemeinsam mit der „Edible Schoolyard“-Initiative Kochunterricht, bei dem Schüler alles vom Anbau von Lebensmitteln bis zum Kochen lernen.

XENOPHON

„Wo kann man hier verschiedene Lebensmittel einkaufen?“, fragte vor etwa 2500 Jahren der Philosoph Sokrates den jungen Xenophon in einer engen Gasse von Athen. Sokrates schob eine zweite Frage hinterher: „Und wo können die Menschen gut und anständig leben?“ Der Philosoph verband den Einkauf mit der Lehre vom guten Leben und der Ethik. Diese Szene beschreibt der Hamburger Gastrosoph Harald Lemke in dem Buch „Ethik des Essens“.

YOTAM OTTOLENGHI

Ein Ausnahmekoch, der aus deutschen, italienischen, israelischen und arabischen Traditionen schöpft. Seine höchst aromatischen Rezepte (gerade ist sein Buch „Jerusalem“ bei Dorling Kindersley erschienen) sind leicht nachzukochen. Vielleicht kommt ja auch mal seine Doku „Jerusalem on a Plate“ ins Kino.

ZOTTER, JOSEF

Der Steirer produziert aus biozertifizierten und Fair-Trade-gehandelten Produkten köstliche Schokoladen (zotter.at). Außerdem schuf er einen Essbaren Tiergarten, in dem er den Traum, sich selbst zu versorgen, wahrgemacht hat. Sepp Zotter ist ein Mann mit Witz und kein Vegetarier, deshalb gibt es im Essbaren Tiergarten auch ein Am-Vieh-Theater.

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