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© dpa

Filterkaffee: Zu Unrecht auf der schwarzen Liste

Unsere Probierrunde stemmt sich mit guten Argumenten gegen das Verschwinden des Filterkaffees.

Zwischen dem Geruch und dem Geschmack eines Lebensmittels kann eine ungeheure Distanz bestehen. Der Kaffee ist dafür das beste Beispiel. Frisch gemahlen duftet er betörend, im Mund dagegen wächst er sich bisweilen zur Katastrophe aus. Aber wir lieben ihn trotzdem, wie ein wildes Tier, das von uns gezähmt wurde. Vollständig unterworfen ist er, um im Bild zu bleiben, noch nicht. Mit seiner Widerborstigkeit gehört er zu einer Kategorie von Genussmitteln, die man vorwiegend aus sozialen Gründen zu sich nimmt, gegen die sich der Gaumen zunächst sträubt und vor denen es Kindern pünktlich graust.

Kaffee darf dennoch als kulturell domestiziert gelten, aber nicht immer und in allen Formen. Der Filterkaffee etwa steht schon seit längerem auf der schwarzen Liste. Jahrzehntelang durch röchelnde Maschinen gejagt oder mühselig durch Saugpapier geschleust, scheint er das Rennen gegen den Espresso endgültig verloren zu haben. Aus diesem Grund haftete der monatlichen Probierrunde etwas Unzeitgemäßes, ja vielleicht sogar Ketzerisches an, als sie sich im Grunewalder Restaurant „Frühsammers“ zusammensetzte, um Filterkaffee zu studieren. Im Vorfeld waren nach langen Erfahrungen eine Menge bekannter Marken ausgeschieden worden, so dass in der Endrunde nur spezielle Sorten gegeneinander antraten, die von Restaurantchef Peter Frühsammer in einer Pressstempelkanne (French Press) zubereitet wurden.

An eine Bremsspur erinnert fühlte sich die Runde beim Filterkaffee der Berliner Coffeeshop-Kette „Caras“, während „Barcomi’s House Blend“ an eine heißgelaufene Märklin-Lokomotive erinnerte und ganz leise so etwas Bohnenfremdes wie Trüffelöl abzubilden schien. Als eindimensional bitter erwies sich „Gepa Bio Café Esperanza Grand Organic“, dessen für einen Augenblick lebendig prickelnde Säure rasch wieder abflacht.

Anschließend ereignete sich etwas, das die Runde selten erlebt. Alle übrigen Proben erwiesen sich als würdige Vertreter einer entwickelten Genusskultur. Vielleicht noch am wenigsten einem am Röstduft orientierten Ideal entsprach „Monoprix Gourmet Costa Rica Café Moulou“ aus den Galeries Lafayette. Dieser reine Arabica bildet in der Tasse Malz und Nuss so stark aus, dass das Typische fast zu kurz kommt. Er ähnelt darin sehr den kräftigen Haselnuss-Noten des „Nabu Gourmet-Kaffee Wiener Röstung“, der aus Kenia in die Biomärkte expediert wird. Dort gibt es auch den annähernd säure- und ereignislosen „Kaffa Wildkaffee Bonga Forest Medium“ sowie die mit einem etwas sperrigen Zitrusduft ausgestattete „Berliner Bohne“.

Als „Schwiegermutterkaffee für die Couch“ apostrophiert wurde von Frühsammer der glatte Äthiopier „Dennree Sidamo“ (ebenfalls Biomarkt). Mit einem äußerst weit reichenden Duft trumpfte der bei L’Angolino erhältliche „Giamaica Caffé Giovanni Erbisti“ auf, aber der Geschmack hielt nicht annähernd mit. Dieser Charaktereinbuße stand immerhin ein Kakaoeindruck entgegen, der zum in dieser Hinsicht deutlicher artikulierten „Edelmocca“ von „Das Süße Leben“ hinführte. Zunächst festigt sich der Eindruck von Honig in der Nase, dann mischt sich ins prägnante Kaffeearoma noch ein Anflug Karamell. Diese Eigenmarke aus der wunderbaren Naschwerkstatt beim Rathaus Schöneberg ist ebenso wie „Helmut Sachers Wiener Mischung“ von Hofer Schokoladen zuvörderst ein Kaffee für Teetrinker.

Jenseits dieser wohlgemerkt: relativen Anspruchslosigkeit siedelte die Spitzengruppe des Tests. Beim „Impressioni Trinci Miscela di Caffè Torrefazione Selezionati Gionaliera Cascine di Buti“ (Blanck & Weber) schieden sich noch die Gaumen. Die einen empfanden ihn als rassig-schlank-dezent-fein, die anderen als bitter-wuchtig-plump. Einig wurde man sich in der Würdigung einer überragenden Schokoladennote, die den Kenner allerdings nicht verwundern dürfte. Schließlich gehört Trinci zu den wenigen Herstellern rarer, wenn nicht absoluter Tafelschokolade.

„Bos Food Kaffeehaus Gourmet 100% Hochlandarabica“, der via Internet beim Hochgastronomieversorger Bos besorgt wurde, bringt zwei Dinge in einer Tasse zusammen, die sich eigentlich ausschließen: bunte Vielfalt, grauen Alltag. Weil sie sich sozusagen atmosphärisch durchdringen, kann man Bos täglich und, wer’s verträgt, in großen Mengen trinken, die sich dazu noch problemlos mit Milch verlängern lassen.

Mitnichten gilt das für den Gewinner der Bronzemedaille. „La Grande Reserve Malongo Pur Arabica“ (Lafayette) riecht überaus voll und schmeckt auch so. Neben dem beeindruckenden Volumen entfaltet sich noch eine veritable Mokkapraline, die auch als Brücke zum Espresso verstanden werden kann. „Andraschko Grand Hotel Vienna Roast“ weckt Tote auf durch einen Duft, der im Nu nicht nur die Nase, sondern auch den Raum füllt und sich am Gaumen bruchlos in gebrannte Mandel, Kakao, einen Tick Orange sowie geröstetes Getreide auffächert. Und er integriert auf denkbar vorbildliche Weise Milch und Zucker zu einer Melange aus einem Guss.

Wenig anders der Sieger. „Malongo Pur Kenya“, der wiederum in den Galeries Lafayette gekauft wurde, erweitert dieses österreichische Spektrum noch um fruchtige und florale Töne, die von einer entfernt an Süßholz erinnernden Natursüße grundiert werden. Streng genommen transzendiert diese Mischung des berühmten französischen Anbieters das Thema bereits und dürfte auch seines starken Nachhalls wegen am ehesten einem Single Malt am Kamin vergleichbar sein. Thomas Platt

Andraschko, Kreuzberg, Köpenicker Straße 154, Tel. 6959 8687

Barcomi’s Kaffeerösterei", Kreuzberg, Bergmannstr. 21, Tel. 694 81 38

Enoteca L’Angolino, Charlottenburg, Knesebeckstr. 92, Tel. 8871 3630

Blanck & Weber, Wilmersdorf, Ludwigkirchstr. 11, Tel.: 8867 9960

Hofer Schokoladen, Charlottenburg, Kurfürstendamm 146/147, Tel. 8926668

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