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Gesellschaft: ITALIEN IN BERLIN

Keine Liebe auf den ersten Blick. Industriehalle, lange Reihen von Blechregalen, Ketten von Neonröhren darüber.

Keine Liebe auf den ersten Blick. Industriehalle, lange Reihen von Blechregalen, Ketten von Neonröhren darüber. Waren, schmucklos gelagert, manche noch nicht ausgepackt. Pappkartons.

Es kommt noch schlimmer. Die Begleiterin schiebt den Supermarktwagen und sagt den tödlichen Satz: „Hier sieht’s ja aus wie bei Aldi.“

Verzeihung, gnä’ Frau, ob sie nicht den Blick nach links wenden möchte, an die Längsseite der Halle. Runde Bögen sind da eingelassen, dunkle Gewölbe tun sich dahinter auf. Und über diesen Bögen decken wunderliche Malereien die Wände. Naive Kunst, als wäre hier ein bayerischer Lüftl-Maler am Werk gewesen. Ist aber nicht Bayern. Ist Italien. Toskanische Zypressenlandschaft, wildes Meer, dramatische Steilküste. Von wegen Aldi.

Was für ein staunenswerter Ort. Er heißt „Centro Italia“ und ist ein Platz, an dem man etwas über Liebe lernen kann. Über die Affenliebe nämlich, der nicht wenige Deutsche verfallen sind, die Liebe zum italienischen Essen und Trinken. Aber Achtung! Das „Centro Italia“ ist kein Ort für aufgestylte Italophilie, für die Schicki-Micki-Prosecco-Fraktion. Hier geht es bodenständig zu, alla casalinga, uritalienisch, pur-italienisch.

1968 hat das alles begonnen, mit Importgeschäften, mit kleinen Läden, und es dauerte bis 1999, ehe diese Supermarkthalle öffnete. Vor acht Jahren kam eine Filiale in Marienfelde hinzu, vor eineinhalb Jahren eine weitere in Prenzlauer Berg. Doch die Urzelle ist in Charlottenburg, hat sich mittlerweile aufs Schönste erweitert. Wurst-, Schinken- und Käsetheke, ein Obst- und Gemüsestand, an dem es frische San-Marzano-Tomaten aus Sizilien gibt oder Mini-Mini-Artischocken, die so zart sind, dass man sich die Mühe sparen kann, das Heu aus den Böden zu kratzen. Letztere kommen übrigens aus Frankreich, aber wer will schon so preußisch genau sein. Siamo in Italia, qui a Carlottaborgo!

Mehr als 60 verschiedene Öle, ebenso viele Essige, unzählige Pastasorten. Und vieles, was den Weg über die Alpen niemals schafft: Chinotto, die italienische Coca-Cola-Variante; Carta di Musica, das hauchdünne Fladenbrot aus Sardinien; Kekse von Mulino Bianco; das bittersüße Lemonsoda. Und natürlich Weine ohne Zahl, von Sizilien bis Südtirol, vom Schankgesöff bis zum Sassicaia.

Das Schönste zum Schluss: Inzwischen gibt es im „Centro Italia“ eine kleine Osteria. Ein bisschen Pasta, ein paar Calamari. Hausgemacht, einfach, gut. Im Sommer sitzt man im Vorgarten an sehr wackeligen Biertischen. Vielleicht einen kleinen Weißwein dazu und ein wenig darüber seufzen, dass Berlin so verdammt weit weg ist von Italien. Wenn es nicht das „Centro Italia“ gäbe. Wolfgang Prosinger

Centro Italia, Sophie-Charlotten- Straße 9-10, Telefon 302 17 28.

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