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N wie Nudelholz.

© Björn Rosen

Kochkurs in Italien: Der Pastalehrling

Kochen wie Mamma: Das kann man in Italien lernen. Unser Autor hat es ausprobiert.

Was für ein Teig! Der runde Klumpen leuchtet wie ein Goldnugget, die Oberfläche ist zart, und wenn man den Finger hineinbohrt, spürt man kaum Widerstand, so fluffig ist das Ganze. Dabei hat Luisa nicht mehr als fünf oder sechs Minuten dafür gebraucht. Ich schaue ans andere Ende des Tischs zu meiner eigenen Mehl-Ei-Mischung. Die ist eine eher bröckelige Angelegenheit, und zu allem Überfluss kleben große Teile davon an meinen Händen. Ob das noch was wird bis zur Mittagessenszeit mit den selbstgemachten Tortellini? „Allora“, sagt Luisa, nachsichtig lächelnd, hebt ihre Arme und klimpert in der Luft mit den Fingerspitzen – aha, nur die hätte ich also erstmal benutzen sollen und nicht gleich die ganze Pranke. Im Gegensatz zu mir ist Luisa natürlich auch ein Profi. Das heißt, eigentlich ist sie genau das nicht. Ab und zu kümmert sie sich um den Papierkram in der Firma ihres Mannes, ansonsten ist sie Hausfrau. Pastateig zu machen hat sie nicht beim Chefkoch in irgendeinem Restaurant gelernt, sondern von der „Nonna“, ihrer Großmutter. Der Rest sind Jahrzehnte Erfahrung. Um davon zu profitieren, habe ich mich aufgemacht in den „Bauch Italiens“. So wird die Region Emilia-Romagna genannt, Heimat des Parmaschinkens, bekannt für Mortadella, Parmesan, Balsamico. Und für Spaghetti Bolognese... nein, stop! „Das ist ein großes Missverständnis“, sagt Luisa, die seit 30 Jahren in Bologna lebt. Die Fleischsauce (Ragù) stammt zwar von hier, und jede Familie hat ihr eigenes Rezept dafür, aber kein Bewohner von Bologna, der etwas auf sich hält, würde sie je zu Spaghetti reichen. Schon gar keine traditionsbewusste Frau wie Luisa, die mehrmals die Woche frische Pasta zubereitet – oft Tagliatelle, das geht am schnellsten, „und es passt perfekt zu Ragù“. Auch ihr Mann kocht, am liebsten Chinesisch oder Indisch. Luisa mag es bodenständiger, sie ist Mitglied in einer Organisation, die Italiens kulinarisches Erbe erhalten will; ins Leben gerufen wurde der Verein vor knapp zehn Jahren von einem Professor der Uni Bologna. Und deshalb empfängt Luisa nun regelmäßig Gäste wie mich – meist Ausländer, aber auch Landsleute aus Südtirol oder Sizilien –, um zu zeigen, wie in ihrer Region daheim gekocht wird. Überall in Italien bieten Freiwillige solche Kurse an. Sie nennen sich „Cesarine“, so wie früher Frauen genannt wurden, die den Haushalt schmissen. Der Name ist die weibliche Form von Cäsar. Diese Frauen sind Herrscherinnen am Herd.

Die gemeinsame Zubereitung eines mehr- gängigen Menüs, inklusive anschließendem Essen, kostet 100 Euro (ab zwei bis 20 Personen), aber Gewinn macht Luisa damit nicht. Es ist bloß ein Hobby. Essen und Geselligkeit sind ihre größte Freude. Und an die zwei erwachsenen Söhne kann sie ihr Wissen ja nicht weitergeben: „Die essen lieber als dass sie kochen.“ Ich bin gekommen, um zu lernen, wie man die beste Pasta macht. Der US-Journalist Bill Buford, der deswegen auch mal nach Italien gereist ist, hat es in seinem Buch „Hitze“ schön auf den Punkt gebracht. Er habe nie begriffen, schreibt er, „wie etwas so Einfaches so verschieden sein konnte, wenn verschiedene Hände es zubereiteten“. Während anderswo in Italien meist Wasser und Mehl verwendet werden, ist die Emilia-Romagna bekannt für ihre Pasta aus Eiern und Mehl. Denkbar simple Zutaten. Doch deren Qualität sei entscheidend, sagt Luisa.

Wenn das Pastalaken unschöne Falten bekommt

N wie Nudelholz.
N wie Nudelholz.

© Björn Rosen

Der Kochkurs beginnt nicht am Küchentisch, sondern in der Altstadt von Bologna mit ihren Arkaden, verwinkelten Gassen und den vielen gelb-, braun- oder terrakottafarben verputzten Mauern. Luisa steuert zwei Geschäfte an, kauft Ricotta als Füllung für Tortelloni und Hackfleisch für die kleineren Tortellini. „Das Mehl für die Pasta muss weich sein, grano tenero heißt das“, erklärt sie. Bei den Eiern ist die Sache komplizierter. „Mit manchen knetet es sich besser, und wenn die Hühner Mais gefressen haben, ist das Eigelb rötlich, so mag ich es.“ Ihre inneren Qualitäten sieht man den Eiern leider nicht an. „Muss man ausprobieren!“ Luisa holt ihre seit Jahren im selben Laden und hat festgestellt, dass dort auch andere Cesarine einkaufen – so viele italienische Hausfrauen können nicht irren. In einem Regal gibt es Fertigpasta, aus Gragnano bei Neapel. Wenn Pasta aus der Tüte, dann die, sagt Luisa. Fürs Kochen fahren wir zum Apartment der Mutter, denn die freue sich, Menschen um sich zu haben. Als Luisa die Küchentür öffnet, duftet es nach Hackfleisch, Zwiebeln und Tomate: Das Ragù köchelt seit dem Morgen auf dem Herd. Im Wohnzimmer, wo schwere Schränke stehen und alte Gemälde an der Wand hängen, sitzt die halbe Verwandtschaft, nimmt – abgesehen von einem „Buongiorno“ – aber kaum Notiz von mir. Durch die geöffnete Balkontür dringt das Zirpen der Grillen. Auf dem Tisch im Esszimmer stellt Luisa die Zutaten bereit. Es kann losgehen. Pro Person rechnet man mit 100 Gramm Mehl und einem Vollei. Jeder von uns beiden wird die doppelte Menge verarbeiten. Luisa formt aus ihren 200 Gramm einen Vulkan, in den Krater kommen die Eier (deren Eigelb tatsächlich eine grandiose Farbe hat). „Mit der umgedrehten Gabel langsam mit dem Mehl drumherum verrühren!“ Ich ahme ihre Bewegungen nach, aber leider erinnert mein Vulkan bald an den Vesuv anno 79 n. Chr. Als ich viele Minuten später einen passablen Klumpen geformt habe, soll ich diesen massieren, mal mit dem Ballen der einen, mal mit dem der anderen Hand. „Heben und drücken!“, und zwar „zehn bis 15 Minuten.“ Schön geschmeidig soll der Teig am Ende sein. An Tagen mit hoher Luftfeuchtigkeit gerate er automatisch weicher. Sei er zu fest, müsse man ihn abdecken und ein Stündchen ruhen lassen. Jetzt geht es ans Ausrollen mit dem Nudelholz. Luisas kleineres „Mattarello“ ist 50 Zentimeter lang. Wichtig: „Kräftig drücken, am besten direkt von oben“ Als der runde Teigfladen im Durchmesser schon an die 80 Zentimeter misst, lässt Luisa den halben Lappen über die Tischkante hängen. „So kann man sich voll auf die andere Hälfte konzentrieren.“ Anschließend wechselt sie die Position der Hälften. Dann rollt sie den Teig komplett aufs Nudelholz auf und jagt dieses über den Tisch. Flap, klatsch, flap. So soll der Teig noch elastischer werden. Und wieder: flap, klatsch, flap. „Das Geräusch erinnert mich an meine Nonna“, sagt sie. „Sie hat mit zehn angefangen, Pasta zu machen, und erst aufgehört, als sie mit 92 starb. Eine kleine Frau, das Mattarello war größer als sie. In ihrer Generation mussten Mütter acht, neun Kinder versorgen, da sahen die Teiglappen aus wie Bettlaken.“ Ich versuche mich auch am herunterhängenden Teiglappen und am FlapKlatsch, wobei mein Pastalaken dabei ein paar unschöne Falten bekommt. „Macht nichts“, sagt Luisa, „bravo!“ Besitzt sie eigentlich eine Pastamaschine? „Noooooo!“ Mit der werde die Pasta zu glatt und sauge die Sauce nicht so gut auf. Der größte Teil des Fladens wird nun mit Frischhaltefolie abgedeckt, damit er keine Feuchtigkeit verliert, während wir vom unbedeckten Teil mit einem Teigrädchen Quadrate und Rechtecke ausschneiden. Die Quadrate werden, mit einer Ricotta-Spinat-Füllung, übereinander gelegt, zu einem Dreieck. Kurz pressen und zwei der Ecken um einen Finger legen, wie ein Pflaster. Finger rausziehen, und siehe da, die ersten Tortelloni sind fertig, meine sehen ein bisschen unförmig aus. Bei den Tortellini läuft es ganz ähnlich. Für die Farfalle, Pasta in Schmetterlingsform, werden die kleinen Rechtecke einfach zusammengedrückt. Das alles ist einfacher als ich dachte – und es wird später sagenhaft gut schmecken. Am einfachsten sind die Tagliatelle. Der Teig wird von oben und unten zusammengeklappt, so dass sich beide Enden in der Mitte treffen. Dann schneidet man ihn in Streifen. Die Bandnudeln, die dabei entstehen, kommen gleich ins kochende Wasser. „Sobald sie aufsteigen, sind sie fertig, wie die andere Pasta auch“, sagt Luisa. Wir geben ihre Pasta und meine jeweils zusammen in den Topf. Und als sich die Tortellini, Farfalle oder Tagliatelle nach etwa einer Minute nach oben arbeiten, lässt sich auch nur noch erahnen, welche aus der Hand des Profis und welche aus der des Lehrlings stammen.

Mehr unter: www.homefood.it. Pastakurse gibt es in der Emilia-Romagna auch in der „Casa Artusi“ in Forlimpopoli: www.casartusi.it. Oder in Rimini, bei Koch Paolo Bissaro: bissaro_paolo@yahoo.it

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