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The Grand, Hirtenstraße 4, Mitte, Telefon 2789099510, geöffnet täglich ab 18 Uhr.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kolumne: Von Tisch zu Tisch: The Grand

Filet Mignon mit 7-Kräuter-Püree

Diesmal ist es also eine ehemalige Armenschule, die mit viel Geld und Kunstgeschick in eine schicke Gourmetadresse umgewandelt worden ist. Außen ist das Gebäude eher unauffällig, eine goldene Plakette verrät diskret, dass sich innen „The Grand“ befindet. Geht man Richtung Rezeption, wird es schon glamouröser. Die Empfangschefin trägt zur schmalen Hose eine schulterfreie Corsage; vor jedem Club würden sie ihr den roten Teppich ausrollen. Wir haben hier ja nicht nur ein Restaurant, sondern oben auch einen Ballroom, außerdem eine Bar mit imposantem Humidor. Dazu viele unverputzte Wände, ein Kellergewölbe, Vitrinen mit alten Kristallgläsern und anderen Fundstücken einer passionierten Sammlerin, Chippendaletischchen und viele Details, die ein sehr berlinisches Ambiente schaffen.

Auf unserem langen Weg zu einem schönen Tisch im Hintergrund ist die Corsagenträgerin nicht mal die letzte Instanz. Sie mahnt uns, an der Tür stehen zu bleiben, bis der eigentliche Gastgeber sich uns widmen kann, und der ist in der Stadt nun wirklich kein Unbekannter. Rainer Möckel war 19 Jahre lang im Borchardt, eine Kapazität also in Sachen Prominenten-Gastronomie. Er kennt die richtigen Leute und die Tonlage, die unter Berühmtheiten und solchen, die es gerne wären, ankommt. Die Dame am Nachbartisch redet er mit „Sweetheart“ an. Ein exaltiert ausschauender Leuchter mit Vögeln drauf dominiert die eine Seite des Raumes über zwei Etagen.

Viele Amerikaner sind da, aber das ist bei neuen In-Restaurants jetzt eigentlich fast immer so. Außerdem gibt es hier Porterhouse-Steak, eine Sehnsuchtsmahlzeit für heimwehkranke US-Bürger, zu zweit zahlt man dafür 98 Euro, also auch nicht mehr als daheim in New York.

Nur dass sie hier neben dem knusprigen Baguette auch exzellentes urdeutsches Schwarzbrot servieren, schön frisch und locker. Vorweg probierten wir eine großzügige Portion Feldsalat, lockig aufgetürmt, unknirschig mit dezentem Dressing und vielen Pinienkernen, leicht und dafür viel (9,50 Euro). Sehr gut war die große, perfekt gegarte Artischocke mit drei kleinen Schüsseln Minz-, Senf- und Tomatendip. Noch etwas größere Portionen wären auch kein Fehler gewesen, so reichte es gerade. Innen verbarg sich immerhin eine sehr gute Tomaten-Gemüse-Füllung. Und vermutlich hätte es Nachschlag gegeben, wie ja auch zwischen den Gängen frisches Brot aufgetischt wurde (13,50 Euro).

Es gibt ein vegetarisches Menü, aber die Hauptsache sind natürlich die Fleischgerichte. Dafür wird ein Southbend Grill mit 800 Grad verwendet, der einen Karamellgeschmack erzeugt.

Wir probierten ein Filet Mignon vom Charolais Rind aus deutscher Freilandzucht, schön zart gegart (24 Euro). Etwas schwerer zu kauen, aber mit leckerer dunkler Kruste war Bavette vom US-Prime Beef, in flache Scheiben geschnitten, innen zart und rosig (19 Euro). Dazu lassen sich verschiedene Beilagen kombinieren, die den Preis aber noch kräftig nach oben katapultieren können. Portweinjus (3,50 Euro) kommt in sehr konzentrierter Form in einer kleinen Sauciere. Die Béarnaise ist eher fest wie Pudding, aber schön frisch zubereitet (4 Euro). Kartoffelgratin mit Käse zeigt eine Kruste von hell- bis dunkelbraun und hat einen kräftigen Geschmack (3,50 Euro). Feiner und bleicher: das sanfte 7-Kräuter-Püree (4 Euro).

Die Weinkarte ist mit guten internationalen Lagen gekonnt bestückt. Auch hier haben die chilenischen Weine das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Zu den preiswertesten Tropfen gehörte der 2011er Cabernet Sauvignon von Millaman für 34 Euro, ein blumiger Begleiter zu den fleischlichen Freuden.

Am Schluss sollte man sich die Eispraline nicht entgehen lassen, einen köstlichen Quader aus dunkler Schokoladencreme mit einer wunderbaren Schokoladenstange, mit Birnensorbet und einer halb in Schokolade getauchten Birnenfrucht (9,50 Euro).

Ach ja, hoffentlich drehen sich die Armen, die hier einst zur Schule gegangen sind, nicht in den Gräbern um, wenn sie erfahren, dass „The Grand“ sich auf eine Tradition „since 1842“ beruft.

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