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Von TISCH zu TISCH: 44

Gänseleberparfait mit Bittermandelschaum.

Wenn ein Berliner Restaurant in den vergangenen Jahren von Konzeptgewittern durchgeschüttelt wurde, dann sicher das „44“ im Swissôtel. Dort war die einzige Konstante der großzügige Ku’damm-Blick, während es in der Küche auf und ab ging. Ganz am Anfang scheiterte der Schweizer Anton Mosimann mit einem Club-Konzept, dann ging Tim Raue auf asiatisch inspirierten Höhenflug, gefolgt von Dannijel Kresovic, der Freistil mit Kräutern kochte. Als er ging, begann eine Phase der Neuorientierung, die jetzt möglicherweise abgeschlossen ist. Küchenchef Andre Egger kocht zweigleisig, traditionell schweizerisch und eigensinnig kreativ. Dass ein Swissôtel Geschnetzeltes und Rösti anbietet, scheint mir naheliegend, allerdings denkt wohl außer heimwehkranken Gästen aus der Schweiz kaum jemand daran, das tatsächlich zu bestellen.

Auch ich habe mich auf die „eigentliche“ Küche Eggers konzentriert, die sich leicht, floral und aromenbetont gibt und einzelne Gerichte als besonders vitalisierend herausstellt. Wie man vom Service erfährt, spielen die Farben der Zutaten eine besondere Rolle, und es gibt die Möglichkeit, statt der rituellen Weinbegleitung eigens zubereitete Säfte und Limonaden zu wählen – eine gute Idee.

Nur ... Ach, warum fangen sie dann gleich mit so etwas Hingeschludertem an? „Jakobsmuschel, Wassermelone, Hummer, Kalamar“ heißt die teuerste Vorspeise. Zwei kleine, kalte Muscheln mit Grillspuren, Melonenstücke mit Grillspuren, ein Streifen zäher, kalter Hummer – und statt des Kalamars unangekündigt Garnelen, die strohig und fad schmecken wie eben aufgetaut. Über allem liegt ein penetranter Hauch von Holzkohle, der vermutlich vom gleichnamigen Öl kommt, zwei säuerliche Gekleckse, Schaum, Fuchsienblüten, aber keine Sauce, kein sonst wie integrierendes Element – das Werk eines Küchenhelfers, der eben mal durch die Kühlschubladen von gestern durch ist, und das für stolze 23 Euro. Peinlich.

Es geht besser. Handwerklich sauber, wenn auch insgesamt viel zu süß, fiel das Gänseleberparfait aus, hübsch angerichtet mit einem Stück lebergefülltem Mandelkuchen sowie Pflaumen, Bittermandelschaum und ein paar Blütenblättern, die hier nahezu jeden Gang schmücken (19 Euro). Nichts einzuwenden gab es gegen die kräftig mit Sternanis gewürzte Brühe, in der eine kleine, mit Iberico-Schinken gefüllte Paprikaschote schwamm, hübsch mit Kräutern und, natürlich, Blüten arrangiert (10 Euro). Ganz und gar vegetarisch, auch ein gut ausbalanciertes, frisches Gericht: Tee, Gelee und Eis von der Tomate mit etwas Tomatenschaum und einem klein gewürfelten Chutney (16 Euro).

Das Handwerk also ist durchaus vorhanden, nur nimmt es sich dann gleich wieder zu wichtig wie bei der seltsamen Idee, das spröde, sehr empfindliche Petersfischfilet in Form einer zigarrenförmigen Rolle zu garen (31 Euro). Kein Fisch dieser Welt, auch nicht dieser, gewinnt durch Rollengarung, zumal, wenn das Restaroma unter dominanten Zitrusaromen begraben wird und krass sauer marinierter Rettich die Zunge attackiert; es sah allerdings sehr hübsch aus.

Schließlich Entenbrust mit Pfirsich, Fenchel und Lavendel, sehr okay, wenn nicht das eigentlich gut rosa geratene Fleisch hinten einen zähen rohen Kern gehabt hätte, sehr seltsam (25 Euro). Zum Dessert probierten wir gebackene Apfelküchlein mit Johannisbeersoße aus der Schweiz-Karte, die waren in Ordnung (9 Euro), und Mirabellen mit Mirabelleneis, Meersalz und kandierten Oliven, gut abgestimmt, originell (13 Euro).

Wie war das jetzt mit den Säften? Das funktionierte gut. Geeister Kräutertee, dann Melonenkaltschale, Tomatenlimonade und schließlich Zitronenbrause, passend zwischen ganz trocken und nicht zu süß. Diese Begleitung empfehle ich auch deshalb, weil die Weine – Schwerpunkt Große Gewächse aus Deutschland – geradezu lachhaft überteuert sind; so viele dreistellige Preise für deutschen Wein habe ich überhaupt noch nie gesehen.

Schade, Swissôtel. Es hat hier doch ganz deutlich schon bessere Zeiten gegeben.

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