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Von TISCH zu TISCH: a.choice

Lachs mit Rahmspinat und Rauchöl

Wenn ich mal kurz erläutern dürfte, wo ich gutes Essen am allerwenigsten erwarte? Die mittlere Landsberger Allee – Lichtenberg – wäre ein guter Ort dafür. Vielleicht ein riesiges Businesshotel einer weitgehend unbekannten Kette? Perfekt.

Nun bin ich trotzdem genau dort hingefahren. Der Impuls kam von einer Pressemitteilung: Der neue Küchendirektor in „Andel’s Hotel“, Oliver Barda, war vorher Küchendirektor im Adlon. Nun kocht er dort nicht selbst à la carte, das erledigt ein gewisser Sascha Friedrichs – aber es scheint hinter den Kulissen doch ein gehöriger Ehrgeiz ausgebrochen zu sein.

Schon das Restaurant selbst ist so nett, wie es das in einem Hotel mit fünfhundertundsoundsoviel Zimmern überhaupt sein kann. Mit Geschmack eingerichtet, gut beleuchtet (!), großzügig dimensioniert, mit aufgeschlossenem, freundlichem Service, der allerdings bisweilen unaufmerksam war. Die Aussicht könnte besser sein bei einem sooo hohen Haus, aber dafür gibt es droben eine offenbar nette Bar, die ich nicht besucht habe, es könnte sich lohnen.

Ach, und nun das Beste: Friedrichs kocht richtig gut. Beim schwungvollen Einstieg, einem Rehcarpaccio mit Beeftea, Quitte und Preiselbeereis, holperte es noch ein wenig, die Suppe war nur lau, und die Proportionen zwischen Fleisch und Eis stimmten nicht, aber die Details schmeckten. Das galt auch für die gebeizte Königsmakrele mit Couscous und Minzöl, bei der man mit dem intensiven, zu üppig eingesetzten grünen Öl ein wenig vorsichtig sein musste – aufstrebende Küchenchefs haben es manchmal etwas zu sehr mit der Optik.

Hier aber wurden die Gerichte mit der Menüfolge sogar konzentrierter, puristischer. Kürbis-Kokos-Suppe mit Steinbutt, Koriander und Kernöl, Gänseleber mit Ochsenschwanzgelee, Birne und Mandelbrioche (und einem Parfait mit Bitzel-Knallbrause, naja...), Cremesuppe von Schneekrabben mit Sot-l’y-laisse, also dem speziellen Hüftstück vom Huhn, plus Kardamomschaum, hinreißender Lachs mit confiertem Eigelb, Rahmspinat und dezentem Rauchöl, 36-Stunden-Schweinekinn mit Petersilienpüree und Kümmelschaum, Müritz-Lammrücken mit Macadamia-Nüssen, rotem Paprikapüree und Shiitake-Pilzen, die ein paar Stücke (leider drittklassiger) Kartoffel behüteten, Kabeljau mit Gurken, violettem Senf und Püree aus blauen Kartoffeln.

Ja, das liest sich modern, und es liest sich so, als könnte ein nicht ganz standsicherer Küchenchef dabei im hohen Bogen aus der Kurve fliegen. Doch genau das passiert hier eben nicht. Diese Küche ist modern und zeigt das auch mit allerhand Schäumchen und anderen Tricks, doch das Gesamtbild ist fast immer überzeugend, leicht, frisch, aromatisch und dicht am Produktgeschmack. Sogar die relativ einfachen Desserts enttäuschen nicht – wir probierten Rotweinbirne mit Cassis und Sauerrahmeis und Giandujacreme mit grünen Äpfeln und Apfeleis, gut gelungen. Einziger Störfaktor blieb ein Blutwurzsorbet vor den Hauptgängen, also praktisch ein kalter Kräuterlikör, der den Wein minutenlang wie Spülwasser schmecken ließ.

Hinter dem Hotel steckt eine österreichische Gruppe namens Vienna International, die sich gegenwärtig vor allem in Osteuropa ausbreitet und bei aller Modernität das Landsmannschaftliche pflegt. Deshalb überwiegen die österreichischen Weine auf der recht großen Karte, das mag ich sehr, zumal, wenn ein saftiger Riesling wie der von Markus Huber aus dem Traisental für 32 Euro kulant angeboten wird. Feiner Stoff!

Es mag eine Art Alterserscheinung sein, aber für mich liegt ein wichtiger Test für gutes Essen darin, wie es mir hinterher geht – ein Test, den manche Köche schon mit dem Amuse gueule total versemmeln. Das „a.choice“ hätte dabei nicht besser abschneiden können. Wir standen nach einem langen, in sehr angenehmem Rhythmus absolvierten Menü beschwingt und keineswegs vollgestopft auf und beschlossen, diese Adresse wärmstens weiterzuempfehlen. Wenn auch Hotel und Umgebung nicht unbedingt danach aussehen.

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