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Von TISCH zu TISCH: Altes Zollhaus

Hechtklößchen mit Spinat und Hollandaise.

Wir bemühen uns ja. Ständig eröffnet wer was Neues, ständig wechseln Küchenchefs und Konzepte. Wenn dann mal ein Restaurant über Jahre praktisch das Gleiche macht und auch der Chef ewig bleibt, dann wird es hier normalerweise nicht mehr gewürdigt – das mag ungerecht sein, ist aber schon deshalb kaum zu ändern, weil man ja auch nicht immer das Gleiche schreiben will.

Umso schöner, wenn doch mal ein gesetzter Traditionsbetrieb aus der Routine ausbricht und sich runderneuert. Das „Alte Zollhaus“ in Kreuzberg ist älter als diese Kolumne, was schon ein ziemlich hohes Alter bedeutet, und es hat mit Inhaber Herbert Beltle und Küchenchef Günter Beyer immer auf ein gutbürgerliches Publikum gesetzt, das an Avantgardeküche nicht interessiert ist.

Offenbar war nun aber doch mal eine Runderneuerung nötig. Ich kenne den eigentlichen Grund nicht, finde aber, dass das mit Geschick gemacht wurde und uns ein fast neues Zollhaus beschert, ohne dessen Markenkern zu beschädigen. Und dieser Kern ist nun mal: deutsche Regionalküche.

Doch die kann man ja so und so machen. Keine Angst, Stammkunden, die Ente aus dem Rohr mit Wirsing, Apfel und Kartoffelpuffer ist noch da, und auch die katalanische Creme mit Blaubeeren. Doch die Grundidee ist eine andere, naheliegende, nie konsequent umgesetzte: nicht allerweltsregional kochen, sondern die Klassiker der Region neu betrachten. Nein! Nicht dekonstruieren. Nur einfach gut machen.

In diesem Sinne gebe ich zu, dass ich in diesem Jahr noch kaum Besseres gegessen habe als das wunderbare, leicht gratinierte Hechtklößchen, das hier auf Spinat serviert wird, ein zu Unrecht vergessener Klassiker. Statt der avisierten braunen Butter gab es eine Art Hollandaise, wie auch immer: Hingehen, essen! Wer was gegen Hecht hat, kann stattdessen gern das Eisbein ordern. Es wird hier ausgelöst, mit grünem Erbsenpüree und Sauerkraut spielerisch aufgeschichtet. Senfschaum und gebackene Zwiebeln dazu, fertig, köstlich. Beim nächsten Mal probiere ich die Königsberger Klopse (je 12 Euro, als Hauptgang 17 Euro).

Wer in dieser Nachbarschaft auf die Berliner Leber lauert, der lauert nicht umsonst. Und er versteht, warum es diese unsinkbare, so oft von schlechten Köchen malträtierte Kombination seit ewigen Zeiten gibt. Hier wird sie mit der Leber ungestopfter Enten gemacht, schön rosa, und natürlich mit Apfel und Zwiebeln, das ist sehr gut (12 Euro). Als etwas modischere Vorspeise gibt es eine Terrine von roten Beten mit Meerrettich und einem Stück Bachsaibling, auch das ein gutes, fein ausbalanciertes und sicher gewürztes Gericht.

Bei so viel überraschendem Feinschliff hat es mich nicht gewundert, dass die Hauptgänge vergleichsweise bieder wirkten. Rindsschulter geschmort mit rosa Filet, Kartoffelbaumkuchen und Teltower Rübchen (26 Euro) – das schmeckte ein wenig kraftlos, was wohl vor allem an der langgezogenen, zu stark gebundenen Soße lag; das Zanderfilet mit Rahmsauerkraut und einem Blutwurstknödel war einwandfrei, aß sich aber im Licht der filigranen Vorspeisen auch ein wenig dröge. Zum Dessert überprüften wir, ob die katalanische Creme noch so gut wie damals ist (ja), und überzeugten uns davon, dass die moderne Variante der schlesischen Mohnpielen, eine leichte Mohncreme zwischen fluffigem Teig mit Vanillesoße, ein ebenfalls gelungenes Dessert darstellt (je 8 Euro).

Was wäre noch zu sagen? Der früher immer etwas düstere Innenraum wurde fröhlich mit ein paar neuen Bildern und viel Farbe aufgehübscht, das ist gelungen. Und den Service leitet Christiane Dutschmann, die schon viel in Berlin herumgekommen ist. Sie ist auch eine gute Sommeliere und wirkt in dieser Funktion ein wenig unterfordert, weil hier vor allem die anständigen Pfälzer Weine des Weinguts Horcher getrunken werden sollen, das ebenfalls Beltle gehört. Doch es gibt auch anderes, und ein Zwiegespräch lohnt auf jeden Fall.

Kompliment an die Führung des Hauses: Diese Renovierung ist gelungen, das Zollhaus reif für das nächste Jahrzehnt.

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