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Von TISCH zu TISCH: Ars Vivendi

Saftiger Thunfisch mit Sellerie und Spinat.

Im „Ars Vivendi“ braucht man den tieferen Blick für die Möglichkeiten, in denen sich Genusswelten entfalten können. Auf Anhieb sieht das Lokal aus wie ein simpler Laden mit einigen Tischen und Stühlen drin, an denen man die Einkäufe mal schnell kosten kann. Liebhaber guten Essens könnten sich davon leicht abschrecken lassen, aber das wäre ein Fehler. Vorsichtshalber wird auch gleich deutlich darauf hingewiesen, dass dies ein Hort der Slow-Food-Kultur ist.

Die hölzernen Regale an den Wänden sind dicht gefüllt mit italienischen Weinen, und in der Vitrine im Eingangsbereich lagern italienische Vorspeisen und Delikatessen. Die Weine sind alle mit Mitnahmepreisen ausgezeichnet. Trinkt man sie gleich hier, kommt ein Korkgeld von sechs Euro dazu. Im hinteren Raum wird es deutlich wohnlicher. Dass dies ein wunderbarer Ort ist für bacchantische Feste, bei denen sich die Tische biegen können unter Vorspeisenplatten und Hauptgerichten wie bei einer italienischen Dorfhochzeit, wissen die wenigsten.

Draußen auf dem Trottoir haben sie längs der Häuserwand im Sommer einige Tische mit karierten Tischdecken und weißen Papierauflagen samt klapprigen Stühlen aufgereiht. Handtaschen werden gern mal auf dem Fenstersims geparkt. Das Publikum ist nachbarschaftlich, wirkt gebildet und italophil.

Eine sehr souveräne junge Frau kümmert sich um die Gäste, eigentlich um alles. Sie nimmt nicht nur Bestellungen auf, sondern schätzt in kurzen Gesprächen auch ab, wie umfangreich genau denn zum Beispiel die gemischten Vorspeisen portioniert sein dürfen. Gutes Brot, zum Beispiel mit Kräutern, ist das beste Entree. Die Vorspeisen werden auf schön bunt geblümtem, schon etwas angestoßenem Steinzeug serviert, das den Gast geradezu in einen gefühlten Blitz-Urlaub entführt. Was die ovale Schale trug, war köstlich. Mit Knoblauch kräftig eingelegte, gehäutete gelbe und rote Paprika, glänzende bräunliche Champignonköpfe, eine Mozzarella-Rolle mit Lachs, Scheiben vom rosaschwarzen Octopus, Staudenselleriescheibchen, Oliven, frisch, leicht sommerlich und maßgeschneidert auf unseren Appetit (9,50 Euro).

Bei den Weinen solle man viel probieren, wird dem Gast geraten. Zwei, drei offene Tagesweine gibt es immer. Die nette junge Frau war eher aufs Essen spezialisiert, konnte also nicht wirklich sagen, welcher Wein für diesen Abend nun am besten geeignet wäre. Wir entschieden uns für einen venezianischen Sauvignon Blanc „Giulia“, einen frischen, leichten Sommerwein, der mit grauem Kühlring auf den Tisch kam (18,90 Euro). Die Karte ist klein, aber die Pasta nicht umsonst berühmt. Leider fehlten an diesem Abend die Strozzapreti auf der Karte, eine Spezialität des Hauses aus Ricotta und Mehl.

Sehr gut waren die Ravioli mit Tomaten und einer Schinken-Pfifferling-Ricotta-Füllung (9,50 Euro). Lediglich schade, dass man dazu keine ganzen Pfifferlinge lässig verspielt über den Teller gestreut hatte. Die Pilze verbargen sich ausschließlich in der Füllung. Der gegrillte Thunfisch hatte ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis. Zwei große Filets auf den Punkt gegrillt, zart saftig, mit Knoblauchscheiben bedeckt. Dazu gab es noch eine üppige Beilage, Sellerie, Spinat und ein Berg Kartoffelwürfel. Das war fast zu viel, aber wirklich gut (14 Euro).

Wenn man schon Tiramisu isst, dann sollte man es hier tun, das können sie wirklich überdurchschnittlich gut, es schmeckt nicht zu süß und nicht zu cremig (4,50 Euro).

Diese Art von Lokal entspricht dem Lebensgefühl Berlins. Man kann sich alles nach Hause holen, was einen anlacht, aber eben auch in diesem wunderbaren untertriebenen Ambiente genießen. Man hat tatsächlich das Gefühl, auch wenn es etwas altmodisch klingt, dass hier mit Liebe gekocht wird und die Konzentration aufs Wesentliche jedenfalls funktioniert. Hoffentlich bleibt das auch noch so, wenn die anstehende Erweiterung abgeschlossen ist. Notwendig ist sie, keine Frage. Ohne Reservierung ist hier nur schwer ein Platz zu finden, denn in der unmittelbaren Nachbarschaft ist Alfios Ars Vivendi schon lange kein Geheimtipp mehr.

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