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Von TISCH zu TISCH: Bieberbau

Krosser Schweinebauch und wilde Kräuter

Bieberbau, Durlacher Str. 15, Wilmersdorf, Tel. 853 23 90, Di.–Sa. ab 18 Uhr, bis 20. August Betriebsferien. Foto: Doris Klaas

Als Restaurantkritiker ist man ja zwangsläufig verpflichtet, immer wieder neue Restaurants aufzusuchen, die nur selten wirklich Spaß machen. Dann geht man enttäuscht und mit dem branchenüblichen Kehrreim im Kopf: „Wären wir mal lieber ins …“ Eines der besten Wären-wir-mal-lieber-Restaurants ist der Wilmersdorfer Bieberbau, den ich leider wegen all der anderen Neueröffnungen dreieinhalb Jahre nicht mehr besucht habe. Erstaunlich: Die am Anfang doch noch ziemlich muffige Einrichtung ist jetzt freundlich aufgefrischt, ohne dass den denkmalgeschützten Stukkaturen des Meisters Richard Bieber ein Leid angetan wurde. Die kuriosen Tierköpfe und Alpenlandschaften sitzen an Ort und Stelle, als wären sie Teil eines formidablen Landgasthauses. Wer sich hier nicht wohl fühlt, muss schon eine extrem ausgeprägte Abneigung gegen traditionelle Einrichtungselemente haben.

Die Küche des Patrons Stefan Garkisch hat seinerzeit mit einer Mixtur aus deutschen, österreichischen und mediterranen Elementen begonnen. Das ist grundsätzlich auch heute noch so, allerdings hat er sich längst von stereotypen Kombinationen emanzipiert und kocht wie alle ernst zu nehmenden Kollegen einen persönlichen, schwer berechenbaren Stil. Dabei spielen Kräuter eine große Rolle, wilde vor allem, die er im eigenen Garten pflückt, und Gemüse, die mit viel Sinn für Konsistenz, Geschmack und Abwechslung ins Menü eingebaut werden. Drei bis fünf Gänge sind möglich, das kostet 30 bis 45 Euro, ein vorzüglicher Gegenwert. Zumal die Details stimmen: Der modische Schweinebauch ist selten so kross und aromatisch wie hier, und auch die Begleitung durch Räucheraal und einen sanften Bohnensalat fand ich so ungewöhnlich wie einleuchtend. Bodenständige Raffinesse zeigte auch das kross auf der Haut gebratene, leider ein wenig unterwürzte Zanderfilet, das uns mit Algen, Gurken sowie Venusmuscheln serviert wurde.

Das klingt hingeschrieben ziemlich profilneurotisch, überzeugt aber auf der Zunge durch eine harmonische Vielfalt sanfter Aromen. Möglicherweise ließe sich das künftig durch eine genialische Sauce noch abrunden? Die allzu große Zurückhaltung beim Komponieren und Dosieren von Saucen scheint mir ein kleines Manko der Bieberbau-Küche. Konventioneller, aber tadellos die grüne Erbsensuppe mit Minzöl und Flusskrebs, schön saftig die gefühlvoll gebratene Hühnerbrust mit Gemüsen – man sieht, dass hier die Gratwanderung zwischen Normalität und kleinen Effekten immer wieder neu angesetzt wird und jedenfalls nie in Langeweile mündet. Nur eine Kombination fand ich anfechtbar, aber das mag an eingefahrenen Geschmacksmustern liegen: Zum zweifachen Lamm, kurz gebraten und geschmort, gab es neben gedünstetem Sellerie und Tomate auch noch eingekochte Holunderbeeren, nicht süß, aber doch mit so viel Frucht, dass der Gedanke an Rehrücken allzu nahe lag. Hinreißend, was ich am liebsten gar nicht bestellt hätte: Ein Stück Schokoladentorte wie vom Konditor, allerdings von einem, den ich gern kennenlernen würde, leicht, schaumig, perfekt, und mit Aprikose und Lavendel gut abgerundet. Fast ebenso angenehm war die gebrannte Kaffee-Creme mit Mandeleis und marinierten Kirschen.

Wenn mich nicht alles täuscht, hat der Erfolg auch für neue Leute in Service und Küche gereicht, die nun dafür sorgen, dass alles in höchst angenehmem flottem - Tempo über die Bühne geht. Gut ist die stark gewachsene Weinauswahl, die schon ab etwa 20 Euro pro Flasche Gutes und sehr Gutes aus Deutschland, Österreich und Italien plus ein paar Weltklassiker bietet. Wir wählten eine Flasche Freyburger Edelacker Riesling 2005 von Bernhard Pawis, dem mit Abstand besten Winzer in Sachsen-Anhalt, und wurden für 42 Euro wunschlos glücklich. Am Ende stehen so für zwei mit Aperitif, Wasser und Kaffee rund 150 Euro auf der Rechnung. Das ist nicht wenig, nimmt man nur die nackten Zahlen. Aber das dafür Gebotene rückt den Bieberbau ohne Einschränkungen an die Seite der Berliner Preis-Leistungsfavoriten wie „Horvath“ oder „E.T.A.Hoffmann“. Dass irgendjemand beim Gehen „Wären wir mal lieber…“ seufzt, kann ich praktisch ausschließen.

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