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Von Tisch zu Tisch: Bocca di Bacco

Rituelle Saisongemüse

Ach, ein angestaubtes Thema: die gute, aber nicht überzogen stilisierte italienische Küche. Jeder mag sie, jeder hat eine präzise Vorstellung davon, findet sie in der Pizzeria oder im noblen Großstadtrestaurant – wenn er Glück hat. Eine seltsame kulinarische Grundregel besagt nämlich, dass italienische Küche entweder rasch in die Niederungen der Fertigtortellini absinkt oder sich in Richtung experimenteller Gourmetküche verabschiedet. Mit anderen Worten: In der guten Mitte bleibt verdammt wenig übrig.

Den Stammplatz in der guten italienischen Mitte Berlins hat eigentlich das „Bocca di Bacco“ besetzt, das für gediegene Eleganz und hohen Promi-Faktor bei noch erträglichen Preisen steht und sich anfangs auch mit einem gewissen Küchenehrgeiz profilierte. Ich fand allerdings, dass das anfänglich hohe Niveau nicht gehalten wurde – und habe auch diesmal keine besonders guten Nachrichten mitzubringen: Hier leidet ein Restaurant unter seinem Erfolg.

Es beginnt schon damit, dass nun auch der Raum vor der Bar, der dem „Bocca“ bislang eine gewisse Großzügigkeit und metropolitane Würze gab, mit Tischen vollgestellt ist. Drumherum wuseln die Kellner mit einer Mischung aus Professionalität und auserlesen heiterer Arroganz, sie verhalten sich also so, wie sie in Italien die Touristen behandeln – das ist schlau, weil der Deutsche das auch im eigenen Land mag und irgendwie authentisch findet. Übrigens gilt diese Kritik nicht für den Chef Alessandro Mannozzi, der nur leider immer nicht da ist, wenn ich es bin. Und zumindest die Professionalität der Kellner hat angesichts der Gästemassen ihre Grenzen: In diesem Bericht wird ausnahmsweise kein Wort über Desserts stehen, weil wir nach mehr als zehn Minuten Wartezeit ohne und 20 Minuten mit Karte keine Lust mehr hatten, noch welche zu bestellen.

Die Nudeln sind hier immer eine relativ sichere Sache. Zum Sattessen reichen die Portionen nicht, das sollte man beim Edelitaliener auch nicht erwarten. Aber die mit Maronenmus gefüllten Ravioli mit Entenragout waren eine Klasse für sich. Auch der Salat von Pulpo und Kartoffeln schmeckte wieder gut, allerdings erst, nachdem wir mit zusätzlichem Salz und Olivenöl die Arbeit getan hatten, die eigentlich in die Küche gehört. Diese auffällige Würzschwäche betraf auch den Salat mit offenbar roh gehobelten Artischocken, dem mit einer guten Dosis Zitrone und Öl leicht aufzuhelfen gewesen wäre; die weiche, zu einer Kugel geformte Masse obendrauf, irgendwo zwischen Ricotta und Polenta, leuchtete mir als Ergänzung nicht ein.

Auch die Hauptgänge fallen vor allem durch die große Divergenz zwischen appetitanregender Beschreibung in der Karte und banaler Realität auf. Ob nun die Steinpilzkruste zwar schön aromatisch, aber mit matschiger, an feuchtes Brot erinnernder Konsistenz auf dem Kalbskotelett liegt oder das Filet vom St.Pierre, recht sorgfältig gegart, auf einer wenig inspirierten Mixtur aus Zucchini, Tomaten und Graupen ruht; die Graupen waren in der Karte, seltsam, als „Weißengrieß“ angekündigt.

Dass die Fleischgänge durchweg in Begleitung der rituellen „Saisongemüse“ kommen, ist ziemlich langweilig, zumal es nach meinem Eindruck hier ganzjährig nur eine Saison gibt, und zwar die von Bohnen, Möhren und Broccoli. Sie schmecken allerdings ganz gut. (Hauptgänge um 24, Vorspeisen und Pasta um 15 Euro)

Die Weinkarte des Hauses ist bekannt: Billig gibt es nix, aber die unzähligen Abfüllungen aus ganz Italien haben eingebaute Qualitätsgarantie, von Südtirol bis Sizilien, und das Angebot geht auch über die jeweils aktuellen Jahrgänge ein gutes Stück hinaus, das ist selten und sollte bei entsprechender Finanzlage genutzt werden.

Wenn Sie diesem Bericht die Enttäuschung des Autors über die Probleme eines an sich geschätzten Restaurants anmerken, ist das der richtige Eindruck. Es würde vermutlich schon helfen, wenn die zusätzlichen Tische rausgeworfen würden – auch wenn dann ein paar zahlende Gäste weniger pro Abend anfallen. Das sollte die Sache mit der Qualität aber unbedingt wert sein.

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