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Von Tisch zu Tisch: Borchardt mal italienisch

Borchardt-Boss Roland Mary hat das San Nicci eröffnet. Eine italienische Brasserie, die zu einer guten Alternative werden könnte.

Roland Mary ist keiner, der überstürzt an neue Projekte herangeht. Der Borchardt-Boss beobachtet sorgfältig, registriert genau, wo sich die Konkurrenz gerade blutige Nasen holt – und wird richtig knurrig, wenn einer seiner sorgfältig geheim gehaltenen Pläne vorzeitig durchsickert. Die Branche wusste zwar schon länger, dass seine Hand auf dem Restaurant am Admiralspalast in der Friedrichstraße ruhte, aber Konzept und handelnde Personen blieben unter Verschluss. Inzwischen läuft der Laden, und es ist allgemein bekannt, dass es sich um ein italienisches Restaurant namens „San Nicci“ handelt mit Jörg Behrend, dem ehemaligen Küchenchef im Schlosshotel Grunewald, das sich nach dem Verkauf und seinem Abgang aus der Öffentlichkeit abgemeldet hat.

Ein zweites „Borchardt“? Ganz klar. Mary hört das zwar nicht so gern, aber beide Restaurants sind nicht nur etwa gleich groß und haben ähnlich konzipierte Sitzgruppen und gleich große Terrassen, sondern ihre hohen Decken ruhen auch auf dicken Säulen – das eine französisch ausgerichtet, das andere eine italienische Brasserie. Und wer beim Wort „Brasserie“ eher nicht das Wort „Gourmet-Küche“ mitschwingen hört, der liegt in beiden Fällen richtig. Nicht, dass Behrend nicht immer noch könnte – aber wird er Zeit haben, wollen zu dürfen?

Service wirkt noch wie eine Laienspielgruppe

Bei unserem Besuch brummte der Laden vor allem unter der Last von gleich zwei größeren Gesellschaften, und das lässt letzte Präzision am Herd nicht zu. Vor allem der Service wirkte noch wie eine Laienspielgruppe und überließ uns das Einschenken von Wasser und Wein weitgehend selbst. Ist die von Bahnlärm umbrauste Terrasse geschlossen, geht es sicher etwas weniger hektisch zu.

Ähnlich wie in „richtigen“ italienischen Restaurants ist auch hier der Mangel an richtig zubereiteten Vorspeisen offenkundig. Salate, Carpaccio, Vitello tonnato, ein oder zwei Suppen, das ist die alte Mischung aus Tradition und Rationalisierung. Das lauwarme Carpaccio von Schwertfisch mit einer Gemüsevinaigrette schmeckte gut, würzig, frisch, und auch die unter dem Etikett „Minestra" segelnde Gazpacho zeigte die kundige Hand eines Küchenchefs, der das Spiel mit Aromen beherrscht, auch, wenn es nur um simple Rezepturen geht. Tagliatelle mit Bandnudeln und Kräutern, das ist okay, frische Zutaten, mit Selleriegrün und Petersilie und anderem appetitlich zurechtgemacht und als Zwischengericht für zwei anstandslos geteilt.

Eine Alternative zum Borchardt

Dann an der Gräte gebratener, handwerklich exzellenter Seeteufel ohne viel Schnickschnack drumherum, ein paar Gnocchi in Tomatensauce, Spargelspitzen, fertig. Das klassische „Bollito misto“, verschiedenes Fleisch in heller Brühe, wird hier eigenmächtig in einen eher dunklen Bratenfond getunkt, nicht schlecht insgesamt; nur die grobschlächtig geschredderten Petersilienblätter dazu trugen den Titel „Salsa verde“ eindeutig widerrechtlich. Die Karte hebt traditionelle und neumodische Gerichte gegeneinander ab, aber diese Trennung vermochten wir nicht nachzuvollziehen – grelle Experimente bleiben ganz sicher aus.

Schließlich Limettenparfait, zylinderförmig auf Erdbeersauce angerichtet, und ein ganz gelungener Schokoladenkuchen mit einem prätentiösen Namen, den ich gleich wieder vergessen habe. Viele gute, nicht zu anstrengend kalkulierte Weine, überraschenderweise auch aus Deutschland und Österreich; das ist für die meisten Gäste sicher angenehm, verhindert aber die stärkere Fokussierung auf Italien, die hier durchaus möglich und stilistisch durchaus sinnvoll wäre.

Es wäre eher überraschend, wenn die Küche ihre Linie schon gefunden und endgültig festgelegt hätte. Hier wird noch viel ausprobiert und verworfen werden. Es war sicher ein wenig riskant, die Eröffnungsgala des „San Nicci“ gleich mit dem Drei-Sterne-Koch Heinz Beck aus Rom zu feiern, denn dessen genialische Kreationen sind weit entfernt von dem, was dieses Restaurant will und kann – und wollen sollte. Aber als Alternative zum Borchardt wird es sich auf jeden Fall etablieren.

San Nicci, Friedrichstr. 101, Mitte, Tel. 306 454 980, täglich ab 7 Uhr morgens geöffnet, www.san-nicci.de.

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