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Von TISCH zu TISCH: Brechts

Tafelspitz mit Wildkräutersalat.

Für viele Berlin-Besucher gehört ein Stopp auf dem Bahnhof Friedrichstraße zum Programm. Wenn sie von dort den Blick schweifen lassen über die Restaurant-Zeile am Schiffbauerdamm, bleibt ihr Blick vielleicht an dem authentisch wirkenden Schriftzug „Brechts“ hängen. Bei unserem Besuch vor einigen Jahren waren wir nicht amüsiert. Diesmal fing es gleich viel besser an. Der Empfang war freundlich bis theatralisch. Dass ein Restaurant mit diesem Namen verhinderte Charakterdarsteller anzieht, kann man ja verstehen. Im Hintergrund hängt in großen Lettern der vielleicht ein bisschen zu nahe liegende Spruch: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“ Hier kommt erstmal die Show. Allein die pointierte Art des Barkeepers, die Gläser zu polieren, schrie nach einer Kamera.

Die Tische sind fein gedeckt, die Küche weckt in ihrem ersten Gruß schon Vorfreude aufs Dessert. Die Cremesuppe vom Ziegenkäse in Verbindung mit einem Würfel des hauseigenen Schokoladenkuchens würde zur Not auch als Abspann taugen. Unterstützend in der Rolle des Appetiteinheizers wirkten zwei Sorten krustigstes Gewürzbrot und ein Mini-Fässchen Sauerrahm.

Der Namensgeber ist omnipräsent, zum Beispiel lebensgroß als Figur hinter dem Ecktisch am Fenster. Ob er Freude hätte am Marketinggeschick des Oberkellners? Natürlich hat er Winzersekt da, aber auch einen hinreißenden Hauscocktail, in dem der selbstredend großartige Sekt neben Lavendel und Curacao nur eine kleinere Rolle spiele (8,50 Euro). Auch die Art, wie er uns das Tagesmenü unbedingt schmackhaft machen wollte, gerade so, als hätte die Küche zu viele Vorräte eingekauft, war großes Kino.

Die Consommé vom Bio-Kalb war stark und dunkel, wie es sich gehört, das Gemüse al dente und frisch, Möhren, Sellerie dergleichen. Nur die Frittaten waren seltsam charakterlos, wären bei mir auch als „kleine Bandnudeln aus der Packung“ durchgegangen (6,50 Euro).

Tafelspitz gehört zu den Spezialitäten des Hauses, und den inszenieren sie fast so dramatisch wie den Service. Sorgfältig geschichtet ist der Quader aus Röllchen vom gekochten Rind, mit einer Schnittlauchcreme, Feigenrelish und Kakifrucht. Darauf liegt eine malerische Haube aus Wildkräutersalat – die saftig aromatische Transformation eines Klassikers zum modernen Kunstwerk (9,50 Euro).

Ziemlich deftig wird das auf der Haut gebratene Zanderfilet aus der Müritz interpretiert. Auf grünen Bohnen und in einer dunkelorangefarbenen Gulaschbrühe mit Paprikaschmand entwickelt der Fisch einen ungewohnt starken Charakter. Das passt erstaunlich gut zueinander (23,50 Euro). Eine Überraschung bietet das Frikassee vom Backhendl. Auf den ersten Blick ähnelt es vier Chicken Nuggets, nur dass das Fleisch in der wohlschmeckenden goldbraunen Panade natürlich vom saftig gegarten Biohühnchen kommt, was man an der Konsistenz merkt und am Geschmack. Wasabi-Gurken addieren eine gute Schärfe dazu. Die Küchlein aus Kräuterreis und die helle Schnittlauchsauce hätten fast noch etwas mehr Feuer vertragen können, um im Wettstreit der kulinarischen Charaktere mithalten zu können.

Der ganz große Auftritt kommt, wie es sich für ein ausgefeiltes Küchendrama gehört, am Schluss. Ich kann nur jedem empfehlen, mit dem Kaiserschmarrn anzufangen und dann zu sehen, wie viel Platz noch für Vorspeisen etc. bleibt. Der duftet schon so köstlich, ist mit viel Puderzucker bestreut und durchsetzt von Thai-Banane und französischem Nougat, luftige, warme Mehlspeisfetzen, sicher das Endergebnis längeren Feilens.

Die Weine kommen überwiegend aus Deutschland und Österreich, unsere Wahl, ein Grüner Veltliner aus der Wachau, mag nicht überraschend klingen. Freilich ließ der Ober deutlich durchblicken, dass dieser Wein (28 Euro) doch vergleichsweise billig sei und noch deutlich teurere Tropfen im Angebot sind. Danke, hatten wir schon selber gesehen.

Wer auf Understatement steht, ist hier fehl am Platze. Wer aber gerade dramatisch aufgeladen aus dem Theater kommt und noch ein Weilchen auf Flughöhe bleiben will, hat die richtige Wahl getroffen.

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