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Von TISCH zu TISCH: Das Zimmer

Spannender Wechsel: Sascha Friedrichs, der in Andels Hotel in Lichtenberg Aufsehen erregte, grüßt nun aus Eggersdorf bei Strausberg.

Der gebürtiger Magdeburger, der in feinen süddeutschen Häusern wie der „Villa Hammerschmiede“ oder dem „Erbprinz“ gearbeitet hat, will eindeutig mehr als nur gute Landküche. Er hat sich in das kulinarisch noch nicht aufgefallene „Landgasthaus zum Mühlenteich“ das „Zimmer“, ein Gourmet-Restaurant mit nur 16 Plätzen einpflanzen lassen, das sich vom Bauernbarock der übrigen Einrichtung nur durch ein paar haarsträubend schräge Fotos einer Jungbäuerin abhebt – die füllt ihr Dirndl wirklich aus, schiebt Kohlköpfe und kuschelt mit einer Hirschkuh. Neorustikale Wirtshaus-Ironie?

Die schnittige, moderne Küche ist ironierfrei, handwerklich ausgefeilt, mit besten Produkten. Im Vordergrund steht ein Menü aus kleinen Portionen, das mit sechs bis elf Gängen (59 bis 99 Euro) zu haben ist. Im modischen Stil werden auf der Karte nur die Zutaten aufgelistet, doch schon die lassen erkennen, dass Friedrichs weiter verspielt drauflos kocht: „Große Kammmuschel, Süßkirsche, Welschzwiebel, Bonnote-Kartoffel, Sommertrüffel“ heißt ein Gang, den ich nicht so gelungen fand, weil sich im süßen Kirschsud, der die Muschel bedrängte, auch noch Vanille herumtrieb.

Doch die meisten dieser Gratwanderungen gelingen ihm viel besser. Zur Meerforelle gibt es kleine Akzente von Nektarinenchutney, Saubohnencreme sowie einige raffiniert in einen Tomatengelee-Raviolo eingebettete Tomatenstücke. Auch Zuckerrübe ist angekündigt, doch was wie Rübe aussieht, sind tatsächlich leicht angebratene Würfel von Cheddar-Käse... Der „Eintopf auf meine Art“ führt Flusskrebs, weiße Bohnen, Schweinekamm, Spaghetti, Bamberger Hörnchen und eine Parmesancreme in intensiver Safran-Bouillon zusammen. Das Rebhuhn-Eigelb liegt mit einem leicht rauchigen Schaum auf einem Ring von gegartem Gotteslachs, dieser wiederum auf etwas zu salzigem Spinat. Wunderbar gelingt das Milchlamm – ein Stück Rücken und eine Lammboulette – nebst Johannisbeeren, roter Paprikacreme, grünem Rosmarin-Gel. Und so weiter.

Hier ist einer auf der Reise und vermittelt Spaß am Experiment, ohne schon immer abgeschlossene Ergebnisse vorweisen zu können. Vieles bleibt strittig, lässt den Esser einen puristischen Zwischengang herbei sehnen. Aber das ist eine Frage des Feinschliffs, der hier sicher noch stattfinden wird. Den hat auch die sehr günstig kalkulierte Weinkarte noch vor sich, die dem Rang des Essens noch nicht angemessen ist.

Skeptikern würde ich raten, zunächst die „Bauernstube“ des Hauses zu besuchen. Dort kocht Friedrichs gehoben bürgerlich, und die Gerichte lesen sich so interessant, dass ich auch hier eine Empfehlung riskiere. Vor allem: Es gibt sie auch mittags und am Sonntag, was eine große Ausflugslücke füllt.

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