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Von TISCH zu TISCH: Die Eselin

Lammrückenfilet und Kartoffelgratin

Manchmal mache ich Sachen, die einer seriösen Restaurantkritik eigentlich nicht anstehen, auch wenn sie leider branchenüblich sind. Also beispielsweise über ein Restaurant schreiben, das gerade erst aufgemacht hat. Denn kein Wirt kann sich heute mehr leisten, seine Köche in Ruhe üben zu lassen, den Druck der vollständigen Weinkarte abzuwarten und die Lieferung der richtigen Möbel. Also wird für den Anfang improvisiert, und wenn der Kritiker unversehens reinmarschiert, kann es eigentlich nur zum Verriss kommen – oder zu einer gönnerhaften Gefälligkeitsgeschichte.

Ja, ich weiß das alles, und ich habe trotzdem auf die Bremse getreten, als ich kürzlich die Königstraße in Wannsee entlangfuhr und die Silhouette eines wohlbekannten Lasttiers an einem Haus sah, das ich bislang immer ignoriert hatte: Die „Eselin von A.“, nun wohl doch auf „Die Eselin“ verkürzt, ist ins Erdgeschoss des schnurrigen „Hotel Petit“ eingezogen. Für Neuleser: Dieses Restaurant, bekannt für eine unaufgeregt bodenständige, aber nicht unmoderne Küche, hat seine Karriere in Schöneberg begonnen, tauchte dann neben der Liebermann-Villa in Wannsee auf, verschwand gleich wieder. Harry Wolleschak, der Chef, plant nun, in der Königstraße sesshaft zu werden.

Ja, und ich war nun also zufällig wieder viel zu früh da. Aber es gibt eigentlich keinen Grund, nicht drüber zu schreiben, denn das wird schon. Jedenfalls habe ich selten ein Restaurant so kurz nach der Eröffnung so voll gesehen. Der Wintergarten, also der eigentliche Gastraum, ist recht klein, aber schnell von fröhlichem Lärm erfüllt, der nette Garten bietet bei gutem Wetter etwas mehr Ruhe.

Die Küche steuert den Eselin-üblichen gelassenen Kurs, obwohl einer in der Küche steht, der mal bei Tim Raue war. Doch in vielen Gerichten steckt ein kleiner Pfiff, der sie über die Normalität erhebt, das könnte ruhig noch ein wenig betont werden in den kommenden Wochen. Schon die Gazpacho mit Korianderöl und einer guten Dosis Kreuzkümmel erfreute durch einen angenehm würzigen Hauch, und auch unsere Lieblingsvorspeise, Wassermelone mit karamellisiertem Schafskäse, Kreuzkümmel-Honiggelee und Tarama, also Fischrogenpaste, hatte einen klaren nahöstlichen Kick mitbekommen. Ganz mitteleuropäisch fiel dagegen der Kalbstafelspitz aus, schön saftig rosa, mit Kräutercreme und Kräuteröl nur leicht gegen die Tradition gebürstet.

Maishähnchen mit Tagliatelle und Thaispargel, schön saftig – hier lag der Witz in einem Hauch von Five Spice in der Sauce, der durchaus noch ein wenig kräftiger hätte ausfallen können. Zum üppig dimensionierten, etwas festen Lammrückenfilet gab es ein ausgezeichnetes, offenbar à la minute gebackenes Kartoffelgratin, verschiedene Bohnen (in der schon vom Tafelspitz bekannten Kräutercreme) und einen Schoko/Raz-el-Hanout-Jus, also wieder einen kleinen nordafrikanischen Akzent. Gut! Das alles wird nicht feinziseliert wie fürs Foto angerichtet, sondern in beachtlichen Mengen auf den Teller gepackt – da folgt sicher noch Feinschliff, aber wir sind ja nicht in der Etepetete-Abteilung.

Desserts? Ach ja: Kokos-Tapioka mit Limetteneis und Rosmarinschaum erging sich ein wenig zu kontrastarm in den verschiedenen Stufen der Weichheit, während die Rhabarberkaltschale mit Erdbeereis und Zitronengras schon mal so bleiben kann. (Drei Gänge 34 Euro, Vorspeisen um 12, Hauptgänge um 20 Euro.)

Hier müsste jetzt auch noch Erhellendes zum Weinangebot stehen, aber, wie das in der Startphase so ist, gab es noch kein richtiges. Aber wenn vorerst so etwas Schönes wie der Weißburgunder von Neumeister (Steiermark) für 29 Euro verfügbar ist, dann ist Vertrauen verdient.

Warum funktioniert das hier augenscheinlich alles gleich so gut? Weil es ein Familienbetrieb ist. Der Chef macht das zusammen mit seiner Frau, und beide treffen den zurückhaltend fürsorglichen Ton, den die Stammgäste erwarten und den die Neugäste mögen werden. Also müsste es bei vernünftigen Erwartungen eigentlich den meisten Gästen gefallen.

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