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Von TISCH zu TISCH: Dos Palillos

Schweinekinn kantonesisch gewürzt.

In Berlins besserer Gastronomie hat sich etwas Grundsätzliches geändert. Der geübte Gast fühlt es erst, dann hört er es, dann bestätigt es ihm der Wirt: Die Touristen sind angekommen. Mit einem enormen Zeitverzug ist die Besucherwelle in die guten Restaurants geschwappt, dominiert die Atmophäre auch dort, wo früher nur schweigsame Berliner Ehepaare saßen. Viele früher eher dröge Futterstätten sind plötzlich von einer kosmopolitischen Aura umgeben, die sich mit London oder New York vergleichen lässt. Jetzt sitzen junge Leute da, die Spaß haben wollen und nicht aufs Geld achten.

Aufgefallen ist mir das besonders im „Dos Palillos“, jenem seltsamen Restaurant, das Albert Raurich, der ehemalige Küchenchef von Ferran Adrias „El Bulli“, vor ein paar Jahren in Mitte eröffnet hat. Das kam mir mit diesen spanisch beeinflussten japanischen Tapas sehr theoretisch und stimmungsarm vor, aus der offenen Küche sprang kein Funken über. Das aus Spanien diktierte, in Stein gehauene Menü überlebte sogar den Wechsel des Küchenchefs, selbst wohlgesonnene Berliner wandten sich bald gelangweilt ab.

Nun ist wieder ein neuer Chef am Werk, der Engländer Kevin Alder, der komischerweise bisher so gut wie nichts geändert hat. Es bleibt beim starren, völlig unspontanen Häppchen-Menü in kurzer und langer Fassung (55/75 Euro). Doch Alder lässt wenigstens entschlossener würzen – und so entsteht im Zusammenspiel mit der ganz anderen Gästeschar doch ein fast neues Lokal. Die Jury der Berliner Meisterköche, der auch ich angehöre, hat ihn kürzlich sogar für den Titel „Aufsteiger des Jahres“ nominiert, für mich verblüffend, weil er noch gar nichts getan hat, was man als Aufstieg bezeichnen könnte. Aber es mag ja noch kommen, denn das typische Dos-Palillos-Gefühl besagt: Warum kochen die nicht mal so gut, wie sie doch offenbar können?

Nichts gegen die Häppchen, die da in steter Folge ausgereicht werden, sie schmecken. Es beginnt mit schlichten Pimientos, die Auster in Ponzu-Soße ist köstlich, die Dumplings in transparentem Teig zuverlässig gut, zwischendurch tauchen Albernheiten auf wie die in Tempurateig gebackenen Cocktailtomaten. Qualle auf Kimchi muss man mögen ...

Der japanische Dashi-Ei-Pudding „Chawanmushi“ kommt mal mit Saiblingskaviar, mal mit Taschenkrebsfleisch, das ist okay, aber keineswegs die göttliche Fügung, die kürzlich in der „FAZ“ beschrieben wurde. Es folgen todsicher Sushi zum Selberrollen und simples Wok-Gemüse, Fisch kommt so gut wie nie vor, ein bedauerlicher Mangel. Das Schweinekinn ragt in seiner deftig kantonesischen Würzung heraus, wird aber leider in extrem winziger Dosis verteilt – und dann gibt es noch irgendwas Süßes, was rasch in Vergessenheit gerät. Der Service, der von den Köchen – aktuelle Mode – unterstützt wird, schien mir unter den neuen internationalen Anforderungen aufzublühen, auch das ist gut für die Stimmung.

Wie früher: Wer sehr hungrig kommt, wird kaum satt gehen, zumal es kein Brot gibt. Die Weine aus Deutschland, Österreich, Spanien sind gut und originell sortiert, allerdings nicht ganz billig.

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