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Von TISCH zu TISCH: Epoque

Lammzunge mit Wildkräutersalat

Es ist vermutlich eine der schwersten Aufgaben für gute Köche, den einmal errungenen Anfangserfolg in eine dauerhafte, stabile Küchenleistung umzusetzen. Speziell Solisten, die weder eine qualifizierte Mannschaft noch die PR-Abteilung eines Luxushotels hinter sich haben, tun sich dabei schwer. Denn sie haben niemanden, der ihnen beim Ideen-Sparring hilft, und niemanden, der die Öffentlichkeit auf ihre Arbeit aufmerksam macht; dann droht alsbald das Verschwinden in der Versenkung.

Ach, wenn hier jemand das Charlottenburger „Epoque“ erkannt haben sollte: Es ist auch gemeint. Carsten Rosener, der Chef, legte vor einigen Jahren mit ein paar schrägen, zwischen genial und „Was soll das jetzt wieder?“ schwankenden Kreationen einen Blitzstart hin, er war in einer Flautezeit einer der wenigen, die überhaupt eine Existenzgründung riskierten, und das brachte ihm rasch sogar den Ruhm als „Aufsteiger des Jahres“ bei den „Berliner Meisterköchen“ ein.

Doch dann war erst einmal Sendepause. Man hörte kaum noch etwas von der etwas bieder eingerichteten Bürgerstube, die im Strudel vieler Neueröffnungen in Vergessenheit geriet, denn auch die vielfach beschworene Charlottenburger Gastro-Renaissance blieb ein Gerücht: Mehr als mehr oder weniger peinliche sogenannte Promi-Restaurants für die Bewohner der westlichen Villenbezirke kriegen sie dort einfach nicht hin.

Wo war ich ...? Beim Epoque. Na, es ist dort auch in der Küche ein wenig ruhiger geworden. Auf der Karte finden wir nichts mehr, was nach gefährlicher Willkür aussähe, aber auch nichts, was den nächsten Schritt ahnen ließe. Ist das nun gelassener oder langweiliger? Oder beides? Die gebratene Lammzunge mit Wildkräutersalat und Honigsauce zeigte solides Handwerk mit betont kräftiger, also angenehmer, Würzung. Bei den Tintenfischcannelloni mit Kakao-Kartoffelsalat und Mandel-Koriandervinaigrette stimmte dagegen die Balance nicht, weil die Konsistenz des Kartoffelsalats der schwarzen, breiigen und insgesamt wenig ausdrucksstarken Cannelloni-Füllung zu nahe stand und die festen Tintenfischringe sich heftig gegen das Zerbissenwerden wehrten – das hatte ich mir erheblich delikater, frischer, leichter vorgestellt.

Ähnliche Diagnose bei den Suppen: Delikat und aromatisch abgerundet fiel die Cremesuppe von Roten Beten mit viel Minze und gebratener Jacobsmuschel aus, während die Tomatenconsommé mit einer gebackenen Frischkäserolle nebenher enttäuschte, denn sie schmeckte zwar profund nach Fleisch, aber nicht nennenswert nach Tomate.

Die Hauptgänge schließlich bewegten sich im Rahmen des Vorausgegangenen, ausgezeichnete, gut gewürzte Perlhuhnkeule, zum Teil gefüllt, brav gebratenes Filet vom Loup de Mer mit schwarzen Nudeln. Die Desserts schließlich liegen hier qualitativ immer im oberen Drittel – kein Wunder angesichts der Tatsache, dass Rosener im Nebenhaus auch noch eine Confiserie namens „Naschwerk“ eröffnet hat – das weiße Balsamicoeis mit Kirschparfait schmeckte angenehm unpenetrant und keineswegs so essiglastig, wie zu befürchten war. (Vorspeisen um 12, Hauptgänge um 20 Euro, vier Gänge 49 Euro.)

Im Service werkelt seit Jahren der aus alten „Trio“-Zeiten bekannte Christian Thomasow, der mir beim letzten Besuch ungewohnt verhalten vorkam, was hoffentlich kein Dauerzustand ist. Seine nicht überwältigend große, aber zeitgemäß und preisgünstig gestaltete Weinkarte passt zum Stil des Hauses, zumal er immer in der Lage ist, auf Zuruf den einen perfekt geeigneten Wein aus dem Ärmel zu zaubern, beispielsweise den erfrischend anderen 2007er Auxerrois von Florian Fauth (Seehof, Rheinhessen, 38 Euro). Dieses Restaurant lebt insgesamt von der familiären, sehr auf Stammgäste zugeschnittenen Atmosphäre – insofern ist das alte Versprechen, es sei „für Feinschmecker und Experimente“, nicht mehr ganz aktuell. Wohlfühlen wird sich trotzdem jeder Gast, der nicht in erster Linie an Avantgarde und Großstadt-Flair interessiert ist.

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