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Von TISCH zu TISCH: Grunewaldturm

Schwarzwildrücken und Kohlrabistifte.

Rote Backsteingotik wirkt vor grauen Wolken wie vor blauem Himmel eindrucksvoll. Der Grunewaldturm auf dem Karlsberg ragt 36 Meter hoch in den Himmel. Nach Jahren der Entdeckungstouren im Umland mutet uns der Anblick des alten Spazierziels geradezu fremd und neu an. Das luftige Restaurant ist an die hintere Seite des Turmes angebaut. Unter einem zeltartigen Glasdach bildet der moderne Tresen einen aparten Kontrast zur roten Backsteinmauer. Von den Tischen an der Fensterfront aus hat man einen wunderbaren Blick über die Havellandschaft hinweg bis zum Fernsehturm auf dem Schäferberg. Auch das ist Berlin, hier wandelt sich die szenige Hauptstadt zur weiten, unvergleichlichen Kulturlandschaft.

Die Einrichtung ist schlicht, aber geschmackvoll, weiße Zellstoffläufer auf dunklen Tischen, Windlichter, kleine Blumengestecke, praktisch keine Folklore. Lediglich einige dunkle Balken unterstreichen den ländlichen Charme. An die Terrasse schließt sich noch ein gerade vergrößerter Biergarten an mit einer kleinen Bühne.

Die Karte ist für ein Ausflugsrestaurant erstaunlich ambitioniert, obwohl sie sich in dicken, altmodischen Kunststoffmappen versteckt. Es gab vorweg ein Topinambur-Trüffelschaumsüppchen mit gebackenem Blutwurst Wan-Tan. Zum Preis von 5,80 Euro muss man wohl davon ausgehen, dass der Trüffelgeschmack vom Trüffelöl herrührt, zumal Späne nicht zu sehen waren, aber wenn man keine Allergie dagegen hat, schmeckt es bei aller sahnigen Wucht recht gut, vor allem die Knuspertasche mit dem weichen Blutwurstkern. Noch besser gefiel mir das aufgeschäumte Schwarzwurzelsüppchen mit gebeiztem Wildschinken und reichlich Schwarzwurzelchips (5,80 Euro). Zwar waren sich die beiden Vorspeisen sehr ähnlich, und die Schwarzwurzeln hätten in der Suppe gern noch mehr Eigengeschmack entwickeln dürfen, aber in einem Ausflugsrestaurant bedeuten derlei Einwände, dass man auf ziemlich hohem Niveau mäkelt.

Prompt vertieften die Hauptgänge den positiven Eindruck. Kurzgebratenes vom jungen Schwarzwildrücken war erstaunlich zart mit einer köstlich scharf gewürzten Kruste. Dazu gab es bissfeste Kohlrabistifte, die mit Kräutern geschickt angerichtet waren und außerdem pikante Kartoffelkrapfen in einer mit weißem Schaum optisch aufgepeppten leckeren, dunklen Bratensauce (18,80 Euro).

Das gebratene Filet vom Kabeljau war überraschend saftig, genau auf den Punkt gegart. Das lässt fast auf eine mit Sous-Vide-Geräten ausgestattete Küche schließen. Auch hier gefiel uns die kräftige Würzung, die einen guten Kontrast schuf zum gehaltvollen Safranschaum unter einem lockeren Perlgraupenrisotto. Dazu gab es Schalottenspinat aus gut gekochten Blättern, die als solche noch erkennbar waren (16,80 Euro).

Die Weinkarte ist in Ordnung und auch in preislicher Hinsicht durchaus volkstümlich sortiert. Wir probierten die Empfehlung der Saison, einen 2009er Regent aus Deidesheim in der Pfalz vom Weingut Julius Ferdinand Kimich, eine leichte und samtige Überraschung für 18,50 Euro.

Zum Nachtisch wählten wir das gelierte Süppchen von Berliner Weiße mit Johannisbeer-Sorbet und frischer Minze und erlebten eine fröhliche Art, Süßes nach altberlinischem Vorbild zu genießen. Die halbfeste Kügelchenkonsistenz der rosa Suppe harmonierte wunderbar mit dem dunkelroten Sorbet und den mit Puderzucker bestreuten Minzblättern. Dazu gab es einige frische Johannisbeeren und Erdbeerscheiben. (6,50 Euro).

Anders als in vielen Szenelokalen machte der junge Service einen professionell ausgebildeten und auch sehr freundlichen Eindruck. Allerdings waren wir am Ende unseres Mahles gegen 19.30 Uhr an einem kühlen Abend auch fast die letzten Gäste.

Vielleicht lag es daran, dass um diese Zeit die letzten Busse zu den S-Bahnhöfen Wannsee und Heerstraße fahren. Osterspaziergänger mit Besuch von außerhalb können hier einen typischen und gleichzeitig etwas exotischen Ort finden, der sogar eine Frühstückskarte bietet.

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