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Von TISCH zu TISCH: Ma Cuisine

Lammkarree mit Kartoffelgratin

Auf der Anrichte thront ein roter Guide Michelin wie ein Schrein der Hoffnung. Die Andacht, mit der er hier bedacht wird, strahlt er förmlich aus. Entsprechend ist der Empfang. „Ich bin heute Ihre Gastgeberin“, sagt Trawen Hartmann mit ausgestreckter Hand. Dann erkundigt sie sich, was man so den Tag über gemacht habe, und ob das auch schön gewesen sei. „Ma Cuisine“ heißt das Restaurant im Holländischen Viertel in Potsdam, und es hat sogar einen Untertitel: „A Love Affair with French Food“. Dafür ist der Ehemann der Gastgeberin, der Schotte Tim Cumming, zuständig. Eigentlich wollten die beiden ihr Restaurant in Frankreich aufmachen, aber bei einem Besuch in Potsdam blieben sie einfach hängen, weil ihnen das Haus, vor dem sie ihr Auto parkten, so gut gefiel.

Ein Glas Champagner zum Anfang? Die Frage klingt fast zwingend in einer Umgebung, die nicht nur französische, sondern auch ein paar Flohmarktelemente hat und ein bisschen mehr Luft vertragen könnte. Denn vor dem Genuss der französischen Speisen hat man reichlich Zeit, sich umzuschauen. Das braune Mobiliar hat schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, die rosa Bodenfliesen sind immerhin ganz modern. Das Material Filz verleiht den Spitzendeckchen hingegen keine Modernität, zudem kriegt man beim Kleckern ein schlechtes Gewissen. Gleich zwei Gästebücher im Entree und im ersten Stock warten sehnsüchtig auf Gästehymnen. Lob verdienen Oliven und Tapenade in der Tat. Gute Qualität. Bald nach dem Champagner steht auch schon ein gekühlter Alsace Riesling auf dem Tisch zum fairen Preis (0,5 l= 14 Euro).

Die Vorspeisen offenbaren den Sinn des Kochs für Aromen, besonders die Jacobsmuscheln auf einer cremig fruchtigen Rhabarberbutter. Kandierte Rhabarberstreifen vertiefen und variieren die Fruchtnote. Sehr gut gefielen uns die Scheiben Boudin Noir. Die Blutwurst wird im Hause garantiert von Hand gerührt, erfuhren wir. Sie war fast kross gebraten, auf Salat angerichtet, und dazu passten ein Ragout von Tomaten und Paprika und Chips von Kartoffel und Petersilienwurzel erstaunlich gut. Die Preisgestaltung ist unkompliziert. Vorgerichte kosten zehn Euro, Hauptgerichte zwanzig Euro und Desserts wieder zehn Euro.

Die Hauptgerichte repräsentierten solide Beispiele französischer Kochkunst. Brust und Keule vom Perlhuhn waren gut gegart, darunter ein Spiegel mit reichhaltiger Limettensauce. An guten Fetten wird in diesem Hause nicht gespart, umso überraschender war das Auftauchen feiner, saurer Zitronenstückchen. Dazu gab es eine hauchdünne Gurkengirlande. Auch das Lammkarree war ordentlich gegart, das Fleisch von zartem Fett durchsetzt und auf eine säuerlich fruchtige Weise gewürzt. Dazu gab es schönes Grillgemüse, Paprika, Karotten, Zwiebeln, alles bissfest und so schonend behandelt, dass sich ein wunderbarer Eigengeschmack entfalten konnte. Als Beilage für beide Hauptgerichte gab es eine Schüssel mit Kartoffelgratin.

Einfallsreich zeigt sich der Küchenchef beim Dessert, einem halbflüssigen Baiser auf Vanillesauce mit zarten Fruchttupfern obendrauf. Das war leicht und findet hoffentlich Nachahmer, denn die Dessertkarten sind wahre Gralshüter des Immerschondagewesenen. Am Ende führte die Gastgeberin ihren Koch an den Tisch, sie wolle ihn zumindest mal vorstellen. Die Rituale beherrscht das Paar.

Was zur Sternenküche fehlt, sollte dieser Ehrgeiz tatsächlich vorhanden sein, ist noch ein Extra an Kreativität. Bislang wird hier gehobene französische Kochkunst serviert. Der nächste Schritt wären Aromenexperimente mit Küchen anderer Provenienz, vielleicht auch der Versuch, mal ein Amuse Gueule zu zaubern. Aber so, wie es ist, reicht es allemal.

Die ordnende Hand eines Stilberaters könnte das Ambiente optimieren und modernisieren. Aber vielleicht würde das auch nur die familiäre Atmosphäre beeinträchtigen. Nach dem Dessert wurden wir höflich gefragt, ob denn nun der hauseigene Rauhaardackel von der Leine dürfe. Gute Küche mit Herz, das ist auch ein Konzept mit Anspruch. Vielleicht dient der Guide wirklich nur der Dekoration.

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