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Von TISCH zu TISCH: Neubau

Frikassee vom Schwarzfederhuhn

Der Vorteil einer großen offenen Showküche liegt darin, dass sie viele kleine Geheimnisse offenbart. Zum Beispiel auch jenes, wie viel Zeit sich der Service nimmt, um beim Anrichten der Gerichte zuzusehen, wenn flink noch auf dem Tresen letzte Kräuter und Gewürze addiert werden, während die Gäste durstig auf den Stühlen schwitzen. Kleine Kinderkrankheiten sind aber erlaubt bei einer so vielversprechenden Neugründung.

Die Bergmannstraße in Kreuzberg gehört zu den schönsten und quirligsten Ausgehstraßen der Stadt, und genau dort in einem weitläufigen Hof mit Geschäften hat Sterne-Koch Stefan Hartmann sein zweites Restaurant eröffnet. Er steht nicht selbst am Herd, dort wirkt Küchenchef Tilo Sachadä. Der Name „Neubau“ prangt auch als rosa Leuchtreklame an der Wand. Nicht nur das Ambiente wirkt modern mit Sofas, interessanten Kugellampen und Windlichtern. Auch die Küche hat einen angenehm urbanen Jugendcharme. Zum erfrischend säuerlichen Crémant von der Mosel gab es Radieschen, Tomaten, Olivenöl und hausgebackene Foccacia mit einem intensiven Salzgeschmack.

Die Karte konzentriert sich klug auf zwei Menüs, wobei alle Gänge untereinander kombiniert werden können. Vier Gänge kosten 35 Euro, drei Gänge 28 Euro, Vorspeisen neun Euro, Hauptgänge 15 Euro und Desserts 7 Euro. Aus dem ersten Menü probierten wir wunderbar leichtes Frikassee vom Schwarzfederhuhn. Ein saftiges Bruststück überdeckte die mit frischen Erbsen und Champignons kombinierten zarten Hühnerstückchen. Angerichtet in einem bauchigen Teller wirkte die Portion optisch zunächst wuchtiger, als sie am Ende tatsächlich war. Ein Hit war das Dessert aus diesem Menü, exzellente hellgelbe Quarkkeulchen mit halben Stachelbeeren, die so pittoresk aufgereiht waren, als wollten sie sich für einen Preis für ein besonders gelungenes Verhältnis von Süß und Sauer bewerben. Dazu gab es zartgrünes Apfelsorbet mit einer dezent erfrischenden Säurenote.

Das Menü II trumpfte gleich am Anfang auf mit einer mit Basilikum gebeizten Scheibe vom Kabeljau, die auf einem kleinen Quader aus fruchtigem Tabouleh-Salat angerichtet war und köstlich schmeckte, auch in Verbindung mit den Saubohnen und einer Ahnung von Avocadocreme. Kennzeichnend für den unbekümmerten Stil der jungen Mannschaft ist die lustige Umdeutung von „Makkaroni and Cheese“, dem US-Klassiker für Couch Potatoes. Erstklassige Zutaten machen aus dem notorischen Fertiggericht eine Pasta, die ihren Pfiff durch das pochierte Bioeigelb bekam. Umgeben von einem Kranz aus Petersiliensalat mit Brotknusper thronte es in der Mitte und vermischte sich ganz allmählich auf das Vorteilhafteste mit den Käsenudeln. Der Adlerfisch schließlich war so zart gebraten, dass man ihn von der Haut fast runter- streichen konnte und dabei überaus saftig geblieben. Spektakulär dazu war ein Bett aus warmen, halben Kirschtomaten, die bestreut waren mit knusprigem Salat aus Oliven und Brotchips.

Das alles wirkte innovativ, aber nicht kompliziert und schmeckte auch noch gut. Die Weinkarte ist noch klein und enthält gut kalkulierte Weine aus Deutschland, Frankreich und Österreich. Ein höchst achtbarer Grauburgunder aus dem Pfälzer Weingut von Buhl etwa ist zum Preis von 23 Euro zu haben. Viele Weine gibt es auch offen.

Der Service muss an Tempo einfach noch ein bisschen zulegen, mindestens bis die ersten Getränke auf dem Tisch stehen. Aber insgesamt ist die Stimmung entspannt, Nachbarschaftsatmosphäre eben. Normalerweise haben Neu- im Gegensatz zu Altbauten den Vorteil, dass sich die Toilette auf gleicher Ebene in unmittelbarer Reichweite befindet. Hier geht es über eine Treppe um eine Ecke, durch einen Gang, das ist nicht unkompliziert. Aber dafür gibt es eine Abkürzung nach draußen auf die geräumige Hofterrasse mit asiatisch anmutenden Sitzbänken und loungigen Sitzlandschaften für den Digestif oder die Zigarette danach.

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