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Von TISCH zu TISCH: Palazzo

Ente mit Apfelscheibe und Kommunikation

Die Freunde stilvoll zelebrierter Diners bei Kerzenschein können heute gleich wieder wegzappen, das ist nichts für sie. Weltumspannende Weinkarten, eilfertig katzbuckelnde Kellner, dreifaches Amuse gueule zum Fast-schon-Sattessen? Fehlanzeige. „Palazzo“ im Spiegelzelt am Hauptbahnhof ist laut, lustig, hektisch, die Kellner hasten nicht nur herum, sondern singen zum Teil auch – eben genau das, was die berühmte, ebenso oft gelobte wie zum Auslaufmodell gestempelte „Erlebnisgastronomie“ ausmacht.

Nein, das hier ist keine Veranstaltungskritik, jeder Leser muss selbst wissen, ob er das Faible für Artistik, Musik und allerhand Tralala hat, was die Vorausssetzung für einen einigermaßen ersprießlichen Besuch wäre. Hier geht es heute nur darum, wie das Essen schmeckt, und ob es den Besuch lohnt. Reden wir gleich vom Geld: Dabei zu sein kostet je nach Tag und Platzkategorie zwischen 90 und 130 Euro, dazu wird noch ein Getränkeset für 42 Euro angeboten, der Wasser, Kaffee, Aperitifsekt und ein paar Glas anständigen deutschen Wein umfasst. „Concerto für Ente, Salbei und Chilischokoladenkuchen“ heißt das Programm, das bis Februar geboten wird.

Ente, natürlich, das ist bei Gastgeber Hans-Peter Wodarz obligatorisch, und ich gestehe, dass es bessere Ente nicht gibt, schon gar nicht in etwa 300 Portionen innerhalb einer Viertelstunde. Sie ist zart, aromatisch, selbstverständlich völlig durch und knusprig – wunderbar. Unten Spitzkohl, daneben ein wenig Quittenpüree auf einer Apfelscheibe. Warum braten sie sowas nicht in jedem besseren Restaurant?

Man könnte es als Hauptproblem der Show ansehen, dass jeder Gast nur ein halbes Bruststück bekommt, weil er ja auch noch Appetit auf die unmittelbar folgenden anderen Gänge behalten soll, die der Service dann auf kleinen Platten mitten auf die Tische stellt. Selbstbedienung! Gnocchi mit Salbei (blass) und Tomatensauce, Spanferkelkoteletts mit Bohnenragout, Rinderbäckchen in Spätburgunder, Kabeljau mit Spitzkohl und Pancetta. Die Grenzen des Möglichen zeigten sich beim Fisch, der mir bei der Premiere eher zanderhaft vorkam und jedenfalls viel zu trocken durchgegart.

Die Ente hat sich in diesem Bericht über Gebühr nach vorn geschmuggelt, denn sobald der Gast sitzt, darf er sich erst einmal über die Vorspeisen hermachen. Auch hier hat sich Wodarz vom Tellerservice verabschiedet, denn alles steht schon auf Platten auf dem Tisch und fördert die Kommunikation durch allerhand Darf-ich-mal und Wären-Sieso-nett und Danke-das-hatte-ich-schon. Pulpo-Carpaccio mit Calamarettisalat, Tafelspitz mit Kräutersalat, Meerettichmousse (könnte schärfer sein) mit gebeiztem Saibling und Lachstatar mit Gurke, Gemüsesalat mit Pilzen, schließlich ein separat in der Tasse schön heiß servierter Kürbis-Cappuccino mit Zimt – der langjährig mit Wodarz arbeitende Küchenchef Gerd Hammes weiß, was er tut, und er schafft es, der Versuchung überdrehter Teller-Artistik ebenso zu widerstehen wie der reinen Kantinen-Routine. Die Sachen schmecken schlicht gut.

Selbst das Dessert, das zu Wodarz’ Pomp-Duck-Zeiten weitgehend von Sponsoren beigesteuert wurde, ist auf der Höhe der Zeit: Mousse und Espuma von Berliner Weiße mit Himbeeren, ein winziger gratinierter Zitronenkuchen, ein Schoko-Orangen-Lollipop, schließlich der im Vergleich eher unspektakuläre Chili-Schoko-Kuchen mit Olivenöl-Joghurt-Eis, das ist alles auf den Höhe der Zeit, handwerklich sauber und von einer Qualität, die bei vergleichbaren 300-Personen-Buffets nur selten erreicht wird.

Die Palazzo-Gretchenfrage ist damit noch nicht beantwortet. Denn ohne Zweifel ist es möglich, in Berlin für 300 Euro zu zweit besser zu essen, wenn man auf individuelle Zubereitung à la minute, Menüwahl, betonte Kreativität und akkuraten Service Wert legt. Die Show indessen ist lustig, temporeich und professionell inszeniert, und sie wird sicher in den kommenden Wochen noch an Genauigkeit gewinnen. Ihr Wert lässt sich schlecht in Zahlen fassen. Alles in allem dürfte es auch anspruchsvollen Gästen gefallen.

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