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Von TISCH zu TISCH: Richard

Thunfisch mit Blumenkohl und Curry.

Mutig, in einen historischen Raum einzusteigen, der anderen wenig Glück gebracht hat. Der einstige „Köpenicker Hof“, von den Nazis zum Offizierscasino umfunktioniert, blickt auf eine wirklich bewegte Vergangenheit zurück, darunter mehrere Attentate der berüchtigten Kreuzberger Kiez-Mafia in den Neunzigern. Viele werden sich noch an diese „Auerbach“-Phase des Saals erinnern, zumal damals ein gewisser Tim Raue einen Teil seiner Koch-Ausbildung hier absolvierte.

Seitdem ist nichts Wesentliches mehr passiert, bis nun ein Schweizer einen Neuanfang wagte: Der Künstler und Koch Hans Richard hat dem hohen, stuckverzierten Raum mit großformatigen Bildern eine frische Atmosphäre verpasst. Und auch mit der Küche setzt er sich hohe Ziele: Man koche mit einem neugierigen Blick nach Paris, „wo die zeitgenössische Haute Cuisine besonders traditionell und herzhaft ist“, heißt es auf der Website, wolle sich aber auch der Avantgarde nicht verschließen.

Nun ja: Das klingt gut, ist nicht unehrgeizig, und es hat mich nicht gewundert, dass vom Erreichen dieser Ziele noch keine Rede sein kann. Dennoch ist schon was entstanden, was einen zweiten Blick lohnt. Gekocht wird – immer ein Zwischenstadium – zweigleisig mit einem eher modernen Monatsmenü und vielen Klassikern, die wir einem Schweizer gern zubilligen wollen; wo gibt es schon noch anständiges Geschnetzeltes außerhalb der eidgenössischen Landesgrenzen?

Der Verweis auf Paris lässt sich zumindest aber so interpretieren, dass die Küche hier eher einen kräftigen Mischgeschmack anstrebt als die modischen Kontraste der deutschen Spitzenküche, die den analytischen Esser verlangt (und strapaziert). Folglich gewinnt der Thunfisch, knapp rundherum angebraten, durch eine Begleitung von Blumenkohl, Curry und Papadam-Fladenbrot sanftmütig indischen Charakter, und auch die Vorspeise von Topinambur, eher eine aufgemöbelte Suppe, dekliniert die milden, nussigen Aromen dieser im Moment höchst angesagten Wurzel, ohne nennenswerte Fremdakzente einzusetzen. Das wirkt insgesamt ein wenig brav, überzeugt aber geschmacklich durchaus.

Weiter geht es mit der ambitionierten Kombination von Pulpo und brandenburgischen Wintergemüsen im gleichen Stil: Teltower Rübchen, Zwiebelcreme und Grünkohlblättchen klingen anregender als sie schmecken, denn sie spannen keinen weiten Bogen, sondern differenzieren die enge aromatische Aussage des Gerichts allenfalls. Handwerklich ist das alles sauber gemacht, eine im angenehmen Sinn höfliche Küche, die sich den Tischgesprächen unangestrengt unterordnet, allerdings auch Gefahr läuft, hinter ihnen zu verschwinden.

Schön saftig kommt der Hirschkalbsrücken, wiederum Ton in Ton komponiert mit Trompetenpilzen, Sellerie, etwas Walnusskrokant und einem etwas schüchternen Gin-Jus. Aus der Klassiker-Karte ist der Saibling Grenobler Art, ein Stück Filet mit Kapern und Zitronen sowie ausgezeichneten Kartoffeln, bitte, geht doch. Die Tomatencremesuppe dagegen bleibt blass bis zur Unauffälligkeit.

Schließlich Dessert: Wenn nur zwei oder drei Süßspeisen auf der Karte stehen, ist das meist ein Hinweis auf eine sehr kleine Küchenbesatzung; hier war von diesen zwei oder drei effektiv nur eins verfügbar ... Ein Stück Baba auf einem kleinen, kaum aufnehmbaren Strich Pflaumensirup nebst herbem Orangensorbet und einer Mascarpone-Creme, ganz gut gelungen, aber ebenfalls innerhalb der doch recht engen stilistischen Grenzen dieser Küche.

Deren Pariserisierung steht also noch aus; sie müsste darin bestehen, ein ganzes Stück mehr Esprit hineinzubringen. Angesichts der vernünftigen Preise (drei Gänge 42, vier 48, fünf 58 Euro) lässt sich aber schon jetzt vermuten, dass kein Gast unzufrieden geht. Die Weine kommen vom seriösen Händler, stammen aus den klassischen Anbaugebieten (leider nicht aus der Schweiz ...) und sind angemessen kalkuliert, auch das geht in Ordnung. Eine interessante Neugründung also, die durchaus noch Luft nach oben hat.

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