zum Hauptinhalt

Von TISCH zu TISCH: Soupe Populaire

Eisbein vom Spanferkel mit Senfdressing.

Die derzeit besten Schmalzstullen der Stadt gibt es in einer alten Brauerei. Leider kommt man nur schwer an sie ran. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Brauerei gerade sehr erfolgreich zum Kultort umgestylt wird. Über Kundenmangel kann Tim Raues preiswerte Außenstation „La Soupe Populaire“ in der Bötzowbrauerei dabei wirklich nicht klagen. Seit US-Präsident Obama im Juni Klopse aus dieser speziellen Suppenküche gegessen hat, muss man damit rechnen, erst nach langer Zeit ein kleines Zeitfenster zugestanden zu bekommen. Das Warten lohnt sich.

Das fängt schon beim Parkplatz an. Der verbirgt sich hinter einer ebenfalls kultigen Currywurstbude und hat gleich mehrere freie Plätze zur Auswahl. Durch einen malerisch verfallenen Flur mit vielen Außenrohren an uralten Backsteinwänden geht es dann vorbei an hochmodernen, schick illuminierten Waschbecken zuerst in eine Kunstausstellung und von dort über eine alte Stahltreppe in das Restaurant auf der Empore. Gemütliche Sitzkissen auf schlichten Stühlen, loftig anmutende, sehr intelligent abgestimmte Beleuchtung. Die Brotteller sehen aus wie vom Flohmarkt, winzige Servietten dazu. Berlinischer kann ein Ort kaum sein. Hinzu kommt der professionelle Service. Es gibt tatsächlich ausreichend Kellner, und die sind ausgesprochen freundlich und sachverständig.

Zu dem köstlichen gerösteten, krustigen Brot mit würzigem Schmalz kann man als Aperitif einen feinen Riesling-Sekt von Dreissigacker trinken (7,50 Euro). Wird direkt am Tisch aus der Flasche eingegossen. Obwohl die Gerichte in dem rustikalen Ambiente in der Regel unter 20 Euro kosten, sind die Annehmlichkeiten der Sterneküche überall spürbar. Kann ein schlichtes Senfei köstlicher sein als dieses? Allein die Konsistenz der Soße ist ein Traum. Dazu passen Saiblingskaviar und Rote Bete, der ein so sympathischer, leicht süßlicher Geschmack verpasst wird, dass sie auch Rote-Bete-Hasser versöhnen dürfte (10 Euro). Das Sülzkotelette ist angenehm mager, das Fleisch zart und erstklassig. Dazu gibt es einen kleinen Salat aus Spitzpaprika und Kartoffelsalat, die Scheiben aufgereiht wie eine Schnur (14 Euro).

Die Hauptgänge werden in großen weißen KPM-Porzellan-Schalen aufgetragen. Der „Rübcheneintopf“ mit Amarettini und Portulak ist Understatement pur. Auf der pürierten Basis zwinkern einem Rübchenblümchen entgegen, und das alles ist so gewürzt, als solle die Rübe späten Ruhm erlangen und vom Arme-Leute-Essen zur Gourmetdelikatesse promoviert werden (12 Euro). Touristen müssen in Berlin ja immer Eisbein essen, wegen der authentischen Erfahrung. Dies wäre definitiv ein richtiger Ort dafür. Das Eisbein vom Spanferkel war so mager, wie es sein kann, und erstaunlich zart. Es wurde in Gestalt eines kleinen Quaders serviert. Die Schwarte lag oben drauf. Dazu gab es Löffelerbsen und ein Gurken-Senfdressing (16 Euro).

Zum Dessert probierten wir die im Vergleich zum klassischen Vorbild sehr veredelten Mohnpielen, einen süßen Brei mit schlesischem Charakter, Kirschen und Brioche (10 Euro). Auch der Bienenstich schwebt weit über dem, was man aus der Bäckerei an der Ecke kennt. Zwischen einem runden Biskuitteig und einer perfekt gebräunten Mandelkrokantplatte umhüllt Sahne ein exzellentes Aprikoseneis (8 Euro).

Es gibt wohl keine zweite alte Brauerei, in der man solch eine intelligent zusammengestellte Weinkarte findet! Okay, wir verzichteten auf die Magnum-Flasche Château Lynch-Bages (Pauillac) aus dem Glücksjahrgang ’89, der all dies an diesem Ort überhaupt erst möglich gemacht hat (1286 Euro). Der 2012er Gutsriesling von Dreissigacker war ein perfekter Begleiter zu dem kräftigen, aber nicht überfüllenden Essen und passte auch preislich besser zur Idee einer Suppenküche für den gehobenen Appetit (19 Euro).

Dass die Öffnungszeiten so knapp bemessen sind, hängt offiziell mit den Bauarbeiten zusammen, die aus der Brauerei in den nächsten Jahren ein Lifestylezentrum machen. Aber Verknappung hat natürlich auch was mit Luxus zu tun. Und Kult muss man inszenieren.

Zur Startseite