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Studio Tim Raue, Rheinsberger Str. 76/77, Mitte, Tel. 44310950, Di-Fr 12-14 und Di-Sa 18.30-21.30 Uhr.

© Kai-Uwe Heinrich

Von TISCH zu TISCH: Studio Tim Raue

Geflämmter Lachs mit Reis-Mango-Bällchen.

Spätestens beim herrlich salzig-sauren Yuzu-Sorbet ist klar, dass man nicht auf das Gerede der Leute hören darf. Das soll man zwar sowieso nicht, aber manchmal tut man’s eben doch. Der Berliner Stadtklatsch hat in letzter Zeit die Frage erörtert, ob sich Tim Raue mit mittlerweile vier Restaurants nicht übernimmt. Fast vom ersten Studio-Moment an war klar, dass das offenbar nicht der Fall ist. Windlichter bahnen den Weg durch den Factory-Hof ins hübsche Restaurant, das in einer sehr aufstrebenden Gegend liegt, die gleichwohl vom Szene-Volk noch nicht so richtig erschlossen wurde. Zufällig kommt man da nicht vorbei. Die roh gemauerten Fabrik-Rundbögen paaren sich mit den modernen Bildern zu einem geschmackvollen urbanen Ambiente – elegant, unspießig, mit Luft zum Atmen. Auch die Beleuchtung hat den richtigen Grad zwischen gemütlich und hell genug. Alle paar Wochen wechselt das Programm. Wir haben die japanische Phase erwischt, die nächste wird thailändisch, im Sommer geht’s sizilianisch weiter.

Der Riesling-Sekt von Dreissigacker schmeckte gut (7 Euro). Entsprechendes Lob quittierte die Kellnerin mit der Bemerkung, dass der Winzer und der oberste Studio-Chef befreundet sind und sogar eigene Kreationen wie die Lotusblüte ausschließlich in Tim-Raue-Restaurants anbieten. Die finden sich auf der Weinkarte allerdings im Sektor mit den höheren Preisen. Mit einem Riesling von der Nahe von Helmut Dönnhoff wurden wir auch glücklich (32 Euro).

Als Amuse Gueule gab es Chili-Cashewkerne, dazu einen Algensalat und eingelegten Meerrettich. Das war eine eher behutsame Einstimmung auf das dann folgende Aromen-Feuerwerk. Dreierlei Lachs kam in feinen Scheiben, besonders die geflämmte Variante hatte eine aparte pikante Wirkung. Dazu gab es Reis-Mango-Bällchen in der Größe von Glasmurmeln, jede Menge Fruchttupfer und feine Zwergorangenscheiben. Besonders vielschichtig in der Geschmacksentfaltung waren die roten Garnelen auf Karottenpüree und einer Flüssigkeit aus Butter und Passionsfrucht, die mit frischen, knackigen Kräutern angereichert war. Definitiv nicht die Masse, aber die Klasse rechtfertigte den Preis (32 Euro).

Huhn Yakitori bestand aus zwei Spießen mit Hühnerfleisch in einer leicht salzig scharfen, klebrig braunen Sauce, dazu gab es eine hübsche Girlande aus grauen Pünktchen von Steinpilzmus und zarten grünen Feldsalatblättern (16 Euro). Chawanmushi ähnelte entfernt den Raue’schen Senfeiern: die japanische Antwort auf Eierstich, umgeben von pochierten Wachteleiern, Kastaniensößchen und einem Mantel aus großzügig gehobelten schwarzen Trüffeln. Sehr lecker (27 Euro).

Das Eis am Stiel war so edel, wie es nur sein kann: Blutorangen-Sorbet, umgeben von einem köstlichen Gianduja-Mantel (7 Euro). Und wenn die euphemistisch als „Cheesecake“ annoncierten halbflüssigen weißen Tupfer mit immerhin einschlägigem Geschmack noch etwas manieriert wirkten in ihrer unbeißbaren Winzigkeit, machte das bereits erwähnte Yuzu-Sorbet doch alles wieder wett (9 Euro).

Die Preise wirken, wenn man sie in Relation zum Materialeinsatz setzt, für ein Alltagsrestaurant visionär. Vielleicht wachsen die Portionen in anderen Phasen noch. Die Handschrift im Studio ist freilich unverwechselbar Tim Raue, auch ohne dass er selber da ist. Die kompetent und unaufgeregt werkelnden Köche und der hochprofessionelle Service zeigen, dass der Meister oder seine Frau ein ziemlich großes Talent für Personalakquise und Schulung haben müssen.

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