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Von TISCH zu TISCH: Zur letzten Instanz

Kartoffelsuppe am Kachelofen

Doch, Salat gibt es tatsächlich auch. Wenn auch nur auf Nachfrage. Aber dann ist er überraschend gut, mit verschiedenen Blattsorten, hübsch geraspelten Gurken, halben Tomaten und Scheiben von weißen Champignons in Balsamico-Dressing (2,50 Euro). Das mag etwas neumodisch gesund und fast zu kaninchenhaft klingen für ein Gasthaus, das immerhin schon seit 1621 besteht und sich eigentlich ganz den kalorienreichen Abgründen von Uromas Berliner Küche verpflichtet weiß. Und tatsächlich wird als Vorspeise auch lieber die Kartoffelsuppe gewählt, die in nachttopfähnlichem Geschirr durch die historischen Räume des Gasthauses „Zur letzten Instanz“ getragen wird. Aber ein bisschen Zugeständnis an den internationalen Geschmack möchte doch sein, zumal es eben nicht die Berliner mit ihren über Generationen gestählten Magen-Genen sind, die sich am reich verzierten Kachelofen versammeln oder rund um die alten Gasthaustische, über denen der Geruch von Kohl und Kraut hängt wie ein folkloristisches Parfüm.

Am Nebentisch schwärmen Kalifornier von den Vorzügen von Orange County, einen Tisch weiter wird temperamentvoll auf italienisch palavert, und dort hinten freuen sich Russen, so weit westlich mal was ganz Deftiges auf die Rippen zu kriegen. Es brennen Kerzen auf den Tischen, es gibt einen schnellen freundlichen Service, der nicht zu knapp bestückt ist. Natürlich passt Bier, gern auch schwarzes (0,3 für drei Euro), und Schnaps unter dem Motto „Für Vater’n“ am allerbesten zu den Altberliner Spezialitäten, aber „Für die piekfeinen Leute“ gibt es netterweise auch Wein, offene Schoppen von Klosterpforta zum Beispiel, nicht die Spitzenklassen aus der Gegend, aber gut zum Verflüssigen (weiß für 4,20 Euro, rot für 4,50 Euro). Was die Mütter angestellt haben, dass man ihnen Persico und „Kleinen Feigling“ nahe legt, weiß ich nicht. Wenn zusätzlich zum Salat noch eine weitere Modernisierung anliegt, böte dieser Teil der Karte sicher ein dankbares Feld.

Angesichts der großen Mengen rosig schwabbelnder mächtiger Eisbeine, die während der Wartezeit aufs Hauptgericht mit dem typischen Duft von satter Schwarte vorbei getragen werden, wird einem ganz ruhig ums Herz. Das Image der fettvernarrten Krauts wird sich so leicht nicht in die mainstreamige Müsli-Welt verflüchtigen, jedenfalls nicht in dieser Botschaft altdeutschen Lebensstils.

Dabei muss man gar nicht unbedingt klotzen. Das „Anwaltsfrühstück“, zwei kleine dicke Blutwürste serviert in einer flachen Pfanne voller Rahmsauerkraut, ist vergleichsweise leicht (9,70 Euro). Und lecker, hier muss der Ausdruck mal gestattet sein, weil es natürlich kein feines oder gar raffiniertes Gericht ist, aber trotzdem gut schmeckt. Zu den Würsten gibt es Senf aus einem altertümlichen Fässchen mit Holzdeckel. Das schmeckt recht yummie, um es in der Diktion der kalifornischen Tischnachbarn zu sagen. Auch der Sauerbraten ist köstlich, ehrlich sauer, wie wochenlang eingelegt, ein bisschen hart, was aber die Authentizität durchaus erhöht. Dazu gibt es herbstlich duftenden Gewürzrotkohl und gefüllte Kirschknödel mit Semmelbrösel bestreut (15 Euro). Dass sie hier gute Zutaten verwenden und darauf verzichten, konservierte Touristenkost zu verfüttern, muss man schon mal hoch anrechnen.

Warum das Käsebrett mindestens so oft vorbeigetragen wurde wie die Suppe, obwohl die extravaganten dunklen Weintraubenbüschel kaum zum altdeutschen Stil passen wollen, hat sich uns erst später erschlossen. Einige der fremdsprachigen Gäste müssen Stammkunden sein, die wissen, dass das dunkle hausgemachte Früchtebrot eine Delikatesse und mit ganzen eingebackenen Aprikosen eine ausgesprochen gelungene Ergänzung zum Käse ist. Harzer, Blauschimmel, Camembert und andere Sorten kommen allerdings in übermächtigen Portionen (8,50 Euro). Bei den Doggie Bags aus Styropor vereinigen sich immerhin amerikanische und preußische Traditionen. Wenn es etwas weniger Käse und stattdessen noch einen Schnaps aufs Haus gegeben hätte, wäre von uns kein Protest gekommen. Hier würde das gut passen.

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